
Ist meine Stadt eigentlich familienfreundlich?
Hier war es lange sehr still. Aus Gründen, zu denen ich gleich noch komme. Aber vorher würde ich gerne ein bisschen über Familienfreundlichkeit sprechen. Woran erkennt man sie? Und ist der eigene Wohnort familienfreundlich?
Mein Wohnort, Unterföhring bei München, sagt dazu: Ja, das Thema ist uns sehr wichtig. Die Gemeinde investiert in Sportanlagen, fördert Vereine, baut inklusive Spielplätze und übernimmt seit Jahren die Kosten für die Kinderbetreuung. Letzteres war übrigens der Hauptgrund für uns, 2006 hierher zu ziehen. Wir hatten damals noch keine Kinder, wollten aber welche.
Familienfreundlich oder kinderfreundlich: Ein kurzer Vergleich
Heute, fast 20 Jahre später, bin ich nicht mehr der Meinung, dass Unterföhring genug für Familien tut. Weil die Kommune nämlich konsequent Familienfreundlichkeit mit Kinderfreundlichkeit gleichsetzt.
Hier zwei kurze Definitionen:
Familienfreundlichkeit
Unterstützt das Leben und Zusammenspiel ALLER Familienmitglieder durch passende Angebote und Strukturen.
Kinderfreundlichkeit
Stellt das Wohl, die Bedürfnisse und Rechte von Kindern in den Mittelpunkt.
Kostenfreie Betreuungsplätze, inklusive Spielplätze und problemlose Mitgliedschaften in den örtlichen Sportvereinen sind super. Wenn aber die Eltern der entsprechend versorgten Kinder ihre Miete nicht mehr bezahlen können, sind diese Dinge letztlich irrelevant.
Und so sieht es in Unterföhring aus
Hier kommt die Familienfreundlichkeit ins Spiel. Eine Kommune, die sich das auf die Fahnen schreibt, muss das auch leben! Sie muss die Ängste und Sorgen aller ansässigen Familien ernst nehmen. Einer ortsansässigen Beratungsstelle für Eltern und Kinder droht die Schließung? Dann sollte die Gemeinde nicht erst auf öffentlichen Druck hin neue Räume für sie finden.
Menschen ziehen reihenweise weg? Dann gehört der explodierende Mietspiegel thematisiert! In der Straße nebenan kostet der Quadratmeter im Neubau 27 Euro. Solche Entwicklungen lösen akute Existenzängste aus. Ja, ich weiß, das ist viel verlangt von politischen Mandatsträgern, deren Lebensrealität komplett anders aussieht – möglich ist es dennoch.
Eine familienfreundliche Gemeinde muss außerdem wissen, wie wichtig Vernetzung für Zugezogene ist. Sie muss wissen, was niedrigschwellige Angebote für Eltern sind und sollte Ehrenamtliche, die sich für genau diese Themen einsetzen, machen lassen, anstatt sie auszubooten.
Wie mir ein Ehrenamt die Augen öffnete
Ich liebe den Ort, an dem meine Kinder aufgewachsen sind. Ich liebe die Isar, die hiesigen Seen, den Wald mit Trimm-dich-Pfad im Nachbarort und das leckere Essen der örtlichen Gastronomie. München mit all seinen kulturellen Highlights ist gleich um die Ecke. Meine Familie und ich haben hier Freunde gefunden und Wurzeln geschlagen. Weil ich etwas zurückgeben wollte, war ich ein paar Jahre ehrenamtlich für Familien tätig.
Das hat mir fast schon gewaltsam die Augen geöffnet. Seitdem weiß ich, wie festgefahren hier viele Ansichten sind, wie schwer sich politische Akteure mit Neuerungen tun, wie wichtig die richtigen Bande sind und wie viel Misstrauen uns „Zuagroasten“ entgegenschlägt. Die Gemeinde bezeichnet sich gerne als „modern und aufgeschlossen“, weiß aber im Grunde nicht, was das bedeutet.
Familien? Igitt!
Unterföhring erinnert mich an Tante Adelaide, die verschrobene, steinreiche alte Verwandte aus dem Film „Eine zauberhafte Nanny“. Der Großfamilie, die finanziell von ihr abhängig ist, begegnet sie mit gerümpfter Nase und inniger Abneigung.
Dieses Gefühl des Nicht-willkommen-Seins hat letztlich dazu geführt, dass meine Familie und ich aktuell auf gepackten Umzugskisten sitzen. Wurzeln hin oder her: Unsere Zeit in Unterföhring ist vorbei.
Und deshalb sage ich an dieser Stelle mit sehr gemischten Gefühlen Servus zu einer Gemeinde, die in meinen Augen das Wohl von uns Familien komplett aus den Augen verloren hat.

2 Kommentare
Daniela Thewald
Liebe Julia,
Vielen Dank für den tollen sehr wahren Artikel! Leider ist es so, dass die Mieten echt teuer sind und bald nicht mehr bezahlbar. Wir haben auch schon überlegt was anderes wo anders zu suchen.
Ich wünsche euch einen relaxten Umzug und ein gutes Ankommen in eurem neuen zu Hause,
Herzliche Grüße
Daniela Thewald
Heike
Oooh ja! Ich fühle so mit Dir! Und wir sind auch mit uns am hadern! Weisst ja… bei den Nachbarn ist das Gras immer grüner! 😄
Euch wünschen wir auf diesem Wege alles Gute für euren weiteren Weg!
🥰🥰🥰🥰
Heike