Familienalltag,  Gleichstellung

Elterngeld-Streichung? Was geht eigentlich bei Euch ab?

Ich fürchte, das wird schon wieder ein Wut-Post – damit kenne ich mich ja mittlerweile leider bestens aus und habe mich schon ordentlich warm gelaufen. Was genau ist passiert? Der Chef des ifo-Instituts, Clemens Fuest, hat kürzlich im Rahmen der Debatte um die hohe Schuldenaufnahme der neuen Bundesregierung gefordert, das Elterngeld abzuschaffen. Ja, ihr habt richtig gelesen. Er bezeichnete diese so wichtige Unterstützung für viele Familien in Deutschland als „nice to have“ und überhaupt, seien die Empfänger ja auch nicht wirklich bedürftig. Ein ziemlicher Aufreger finde ich.

Elterngeld nur ein Firlefanz?

Wieder einmal eine Forderung die sich gegen Eltern, Familien und insbesondere gegen Frauen richtet. Die Debatte um die mögliche Streichung des Elterngeldes zeigt einmal mehr, wie in Deutschland an der falschen Stelle gespart werden soll, wie wenig Wertschätzung Familien, Kinder und vor allem Frauen (die ja bekanntlich die Hauptlast der Sorgeverantwortung tragen) entgegengebracht wird und es als unnötigen Schnickschnack und Firlefanz abgetan wird. Wieder einmal geht es nicht darum, große Vermögen oder Unternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen – nein, gekürzt wird dort, wo es Eltern, Familien und insbesondere Frauen am härtesten trifft.

Was bedeutet eine Streichung des Elterngeldes?

Eines vorneweg: Die Streichung des Elterngeldes würde alle Familien treffen! Denn wie sollen Eltern in den ersten Lebensjahren für ihre Kinder da sein, wenn sie sich das finanziell eigentlich gar nicht leisten können? Dass plötzlich alle Mütter nach Ende ihres Mutterschutzes wieder arbeiten gehen, davon kann ja keine Rede sein. Es gibt ja jetzt schon nicht genügend Kita-Plätze – Stichwort Kita-Krise. Warum sollten die Menschen überhaupt noch weiter Kinder in die Welt setzen, wenn sie dafür an allen Ecken und Enden in unserer Gesellschaft abgestraft und ausgegrenzt werden? Wie soll unsere Gesellschaft sich zukünftig tragen ohne Familien? Galten diese nicht immer als das Fundament unserer Gesellschaft?

Elterngeld ist by the way die einzige Sozialleistung, die seit ihrer Einführung in 2007 nicht ein einziges Mal erhöht wurde. Familien haben aber, wie alle anderen auch, massiv mit den steigenden Kosten, grade auch für Lebensmittel und mit hohen Mieten zu kämpfen. Hier gab es auch keine (wie von der Ampel eigentlich versprochene) Inflationsanpassung. Weniger finanzielle Sicherheit in einer Zeit, in der ohnehin hohe Belastungen bestehen.

Mal wieder trifft es die Frauen

Ja und das bitterste: Mal wieder trifft es am härtesten die Frauen. Kinder bekommen und großziehen sollte offenbar nur aus reiner Liebe geschehen und frau sich dafür selbstverständlich aufopfern. Frauen, die den Großteil der Sorgearbeit leisten geraten durch fehlende finanzielle Unterstützung noch stärker in wirtschaftliche Abhängigkeit von ihrem Partner.

Eine Streichung des Elterngeldes würde auch eine noch stärkere Benachteiligung von Müttern auf dem Arbeitsmarkt bedeuten. Zum einen gibt es immer noch eine Lohnlücke von 16% zwischen Frauen und Männern was dann zum anderen dazu führt, noch weniger Rücklagen bilden zu können und einen noch höheren Gender Pension Gap im Alter zu haben als es jetzt ohnehin schon der Fall ist. Und am Ende ihres Erwerbslebens steht die Altersarmut. Die ist dafür garantiert! Wie soll das große Thema Equal Care gelöst werden? Wie sollen hier Anreize geschaffen werden, die Sorgearbeit fair zwischen den Geschlechtern zu verteilen?

Warum ist das ein gesellschaftliches Problem?

Familienpolitik ist Zukunftspolitik – ein Land, das an Familien spart, spart an seiner Zukunft. Die Entscheidung gegen eine vernünftige Elternförderung vertieft bestehende Ungleichheiten und trifft am Ende auch die Wirtschaft, wenn weniger Menschen Kinder bekommen können oder wollen. Denn Familienpolitik ist auch Wirtschaftspolitik! Denn eine sinkende Geburtenrate wäre durchaus schlecht für unsere Wirtschaft. Während Unternehmen Steuererleichterungen bekommen, werden Eltern im Stich gelassen – eine bewusste Priorisierung zulasten der Gesellschaft. Und nicht nur das: Welches Signal senden wir aus, wenn wir unvorstellbare Summen in die Verteidigung und Infrastruktur investieren, aber Familien, die das Fundament für diese Gesellschaft legen, bestrafen?

Forderung wird immer lauter

Leider hat nicht nur Clemens Fuest diese Forderung in den Raum gestellt. Immer mehr Politiker, vor allem aus der Union, fordern die Koalitionsverhandler auf, sich mit der Kürzung oder gar Streichung des Elterngeldes zu beschäftigen. Achim Brötel (CDU), Landkreistag-Präsident, sagte im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung, „die Vollkasko-Mentalität für alle Lebenslagen wird nicht mehr funktionieren“ und man müsse sich auch das Elterngeld anschauen. Dies sei eine Baustelle für die neue Regierung. Interessante Wortwahl.

Doch eines ist ganz klar: Die Forderung nach Streichung oder Kürzung des Elterngeldes ist keine Sparmaßnahme, sondern eine familienpolitische Katastrophe! Sie trifft die Falschen, zementiert Ungerechtigkeiten und sendet das fatale Signal: Wer Kinder bekommt, steht alleine da. Es ist Zeit, dass wir laut werden und klarmachen: Hände weg vom Elterngeld, denn Familien sind keine Last, Familien sind kein Gedöns – sie sind die Zukunft unseres Landes!

* aka Madame Schärnée * lebt im nördlichen Landkreis München * hoffnungslose gerechtigkeitsliebende Weltverbesserin, bekennende Feministin und Buchliebhaberin * wirbt für mehr Mütter in der Politik * glaubt (trotzdem) an das Gute im Menschen * liebt orientalisches Essen wie Hummus, Falafel und Co * Mitgründerin des Familienzentrums FamilienHaus Unterföhring e.V * lernt durch ihr ehrenamtliches Engagement und den Blog viel über sich selbst und das Leben * ihre Lieblingshashtags: #dieHälftederMachtdenFrauen und #smashthepatriarchy #MütterindiePolitik

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert