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Mütter in die Politik: Weil Familien eine Lobby brauchen

Wer diesem Blog schon länger folgt weiß, dass ich politisch sehr aktiv bin. Zum politischen Engagement kam ich durch die Gründung des Trägervereins für ein Familienzentrum – dem FamilienHaus Unterföhring e.V. Die ablehnende Haltung unserer hiesigen Kommunalpolitiker*innen gegen eine finanzielle Unterstützung des Projektes führte mich ganz automatisch in die Lobbyarbeit für Familien und damit in die Politik.

Ich konnte es damals einfach nicht fassen, wie man sich als Politiker*in gegen Familien bzw. gegen eine Unterstützung von Familien positionieren kann. Zumal es an den finanziellen Möglichkeiten in unserer Kommune nicht liegen konnte. Die Übeltäterinnen waren schnell ausgemacht: die Mütter. Denn diese haben doch auch schon vor 30 Jahren kein Familienzentrum fürs Aufziehen ihrer Kinder gebraucht. Und man könne sich schließlich zum Milchkaffee auch in der örtlichen Bäckerei-Filiale treffen. Außerdem bekommt man die Sorgearbeit der Mütter ja gratis und frei Haus, warum also mehr anbieten als einen Kitaplatz?

Ich bin jetzt (zum Leidwesen für andere) nicht so gestrickt, als dass mich solche Aussagen abhalten könnten, selbst aktiv zu werden. Nein, sowas stachelt mich erst recht an, etwas dagegen zu unternehmen. Und so habe ich 5 Jahre lang (u.a. zusammen mit Julia) vergeblich für ein Familienzentrum gekämpft und in dieser Zeit zwar keine Anerkennung und auch keine finanzielle Unterstützung für das Projekt bekommen, dafür aber umso mehr über die Gesellschaft und deren Respekt und Verständnis für Familien gelernt.

Familien haben keine Lobby

Um es vorweg zu nehmen (und das mag Euch nicht überraschen): Familien haben keine Lobby. Mütter im übrigen noch weniger als keine Lobby. Mütter sind der Schuhabstreifer unserer Gesellschaft. Als Mutter kann man es niemandem recht machen und eigentlich nur Nachteile einsammeln, sobald das Muttersein beginnt. Angefangen von Altersarmut, psychischer und physischer Überlastung, schlechterer Bezahlung bis hin zu Abwertung und Fremdbestimmung. Denn das Muttersein ist ja selbst gewählt und damit ist frau ja auch selbst verschuldet in diese Misere geraten.

Durch die Corona-Pandemie traten die Missstände für Familien erst so richtig zu Tage. Meine erste Hoffnung: Jetzt wird sich etwas bewegen – so wird es nicht weitergehen. Ok, ich gebe zu das war sehr naiv. Denn bewegt hat sich rein gar nichts. Es ist eher das Gegenteil der Fall. Unser Finanzminister (Mister „Wenn-ich-Vater-werde-übernehme-ich-die-Carearbeit-und-schreibe-dann-erst-mal-meine-Doktorarbeit-oder-gehe-Jagen-und-Fischen“ Christian Lindner lässt keine Gelegenheit aus, gegen Familien zu agieren. Die Blockade der Kindergrundsicherung, bzw. der billige „Kompromiss“ (von 12 Milliarden auf 2,4 Milliarden???) macht deutlich: Familien und Kinder interessieren wirklich keinen. Sein Parteikollege Frank Schäffler bezeichnete die Kindergrundsicherung gar als „Sozialklimbim“. Auch die Ansage Lindners bzgl. der nicht arbeitenwollenden Alleinerziehenden, machen mich nur noch sprachlos. Aber gut, ist natürlich alles nichts gegen die Wirtschaft und die Autolobby. Machste nix dran. Und naja Kinderarmut, so ein Schuljahresstart ist nun mal teuer. Das wusste man doch aber schon bevor man sich Kinder angeschafft hat. Und immerhin gibt es ja das Kindergeld. Entschuldigt meinen Sarkasmus, aber all das hab ich mir in den letzten Monaten in der Politik von verschiedenen Menschen anhören dürfen. Es gibt doch wichtigeres als Eltern und ihre verwöhnten Kinder.

🎉 Fun Fact am Rande:

Der gesetzliche Rechtsanspruch auf einen (nicht vorhandenen) Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Lebensjahr wurde am 1.8.2023 zehn Jahre alt.

Familienkette in Berlin

Natascha Sagorski, Initiatorin des Gestaffelten Mutterschutzes nach Fehlgeburten, hat nun zu einer Familienkette in Berlin aufgerufen, um verschiedene familienpolitische Forderungen zu bündeln und sichtbar zu machen. Es haben sich einige Petentinnen mit allesamt wichtigen Themen zusammengeschlossen, diese sind u.a.:

Sie wollen den Themen und Anliegen von Familien Gehör verschaffen. Die Familienkette am 20. September soll vom Bundestags bis vors Bundesfamilienmisterium gehen. Dort wollen sie Bundesfamilienministerin Lisa Paus ihre Forderungen übergeben. Treffpunkt ist am 20. September um 16:30 Uhr in der Glinkastraße 35 in Berlin vor dem Familienministerium.

Ich und vermutlich viele andere können nicht persönlich in Berlin dabei sein. Unterstützen kann man die Aktion aber dennoch. Zum Beispiel mit einer Finanzspritze der Crowdfunding-Kampagne, welche die Familienkette finanzieren soll. So könnt ihr Euch an den Kosten von Flyerdruck, Bühnentechnik etc. beteiligen oder auch mittels eines Luftballons dabei sein.

Denn: Familie sind wir alle. Und wir sind das Fundament der Gesellschaft!

Familien wollen nicht einfach ein Stück vom Kuchen abhaben, wir sind die, die den Kuchen backen! 

Natascha Sagorski

Parität und mehr Mütter in der Politik

Bei meinem politischem Engagement engagiere ich mich persönlich schwerpunktmäßig für die Anliegen von Familien bzw. Frauen und Müttern. Nach all meinen oben ausgeführten Erfahrungen sicherlich nicht allzu verwunderlich. Das ist kein Leichtes, denn gerne und nicht selten höre ich von alten weißen Männern (die im übrigen auch weiblich sein können): Wen interessieren all diese Frauen- und Familienthemen denn? Das braucht es doch nicht. Hast Du keine „echten“ Themen? Nein, sorry, die „echten“ Themen habe ich natürlich nicht. Denn so lange wir nicht paritätisch in den Parlamenten (auch in den Gemeinderäten) vertreten sein werden, so lange werde ich all diese Themen noch rauf und runter diskutieren und allen damit auf die Nerven gehen müssen: Equal Pay, Equal Care, Equal Pension, und all die wichtigen Themen, die ich Euch oben schon bei den aktuellen Petitionen vorgestellt habe.

Mit Parität (Wenn diese erreicht ist, geht es hoffentlich wieder um Qualifikation, sagte mir neulich jemand) können all diese Themen dann auch endlich gleichberechtigt von Männern und Frauen entschieden und beraten werden. Daher unterstütze ich auch den Verein Parité in den Parlamenten, das kann jede*r von Euch auch tun, etwa mit einer Mitgliedschaft. Durch #ParitätJetzt rückt der weibliche Blick in den Fokus und betrachtet all diese Themen und Probleme dann endlich auch mal aus einem anderen Blickwinkel. Denkt also bitte bei Euren nächsten Wahlentscheidungen (am 8. Oktober ist übrigens Landtags- und Bezirkstagswahl in Bayern) daran, Frauen in die politischen Entscheidungsgremien zu wählen.

Buchtipp

Bis dahin habe ich noch einen Buchtipp für Euch. Sarah Zöllner und Aura-Shirin Riedel haben einen Aufruf verfasst. Er heißt: MÜTTER. MACHT. POLITIK. in zehn verschiedenen Interviews mit Expert*innen haben sie aufgezeigt, was jede*r von uns tun kann, um die Bedingungen von Müttern zu verbessern. Angefangen bei der Geburt. Das Buch startet daher mit einem Interview mit der Präsidentin des deutschen Hebammenverbandes, Ulrike Geppert-Orthofer. Die Ausgangs-Aussage stimmte mich wirklich nachdenklich:

„(…) hat das Geburtserlebnis lebenslange Auswirkungen auch auf unsere Kinder und die gesamte Familie. Damit ist die Geburt nicht nur Voraussetzung des Lebens überhaupt, sie bildet auch die Grundlage für die psychische und physische Verfassung unserer Gesellschaft.“

Sarah Zöllner/Aura-Shirin Riedel

Was ist das für ein toller Satz und was für eine starke Aussage verbirgt sich dahinter. Und welche Diskrepanz tut sich in der Realität auf. Eine frauenzentrierte Geburtshilfe sollte daher immer im Fokus stehen. Tut es aber oft leider nicht. Gewalt und Übergriffe unter der Geburt mehren sich, Frauen sollen sich nicht so anstellen und leiden oftmals lange Zeit nach einer Geburt unter Traumen (ich im Übrigen auch). Eine Geburt als Wirtschaftsfaktor, der möglichst gewinnorientiert abgerechnet werden soll etc. Davon müssen wir wegkommen. Dringend. Wenn wir nicht begreifen, dass Mütter unsere Gesellschaft am Laufen halten, wenn wir das nicht wertschätzen (Stichwort bezahlte Carearbeit, bzw. Equal Care – im Buch das Interview mit Sascha Verlan von der Equal Care Initiative), wenn wir das immer weiter abwerten – dann wird das unsere Gesellschaft auf Dauer nicht überleben. Daher möchte ich ich Euch ermutigen: Werdet selbst aktiv! Steht für Euch und Eure Familien und Eure Forderungen ein!

Es gibt eine Plattform mit Netzwerk und Veranstaltungen zum Buch. Schaut mal rein, es gibt tolle Aktionen und ihr könnt Euch auch beteiligen: https://www.muetter-macht-politik.de/

Mein Appell und meine politische Forderung zum Schluss

Am Ende des Beitrags möchte ich den Bogen wieder zum Anfang spannen. Im Buch ist auch ein Interview mit Ute Latzel. Sie gehört zum Steuerungskreis des Bundesverbandes der Mütterzentren. Das FamilienHaus Unterföhring e.V., das ich und Julia 2019 mitgegründet haben und das ausschlaggebend für mein politisches Engagement war, gehört zu eben diesem Bundesverband. In der Zielsetzung des Verbandes heißt es: „Nur wenn sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern, verbessert sich die Situation von Familien und insbesondere von Müttern.“ Daher ist es wichtig, dass diese Mütter- und Familienzentren ihre Arbeit machen können. Und auch, dass diese finanzielle Unterstützung bekommen. Denn das können Mütter nicht auch noch ohne Finanzierung im Ehrenamt betreiben. Und ich weiß, wovon ich spreche 🤨.

Mütter, geht in die Politik. Eure Stimmen werden dringend gebraucht!! Und erhebt Eure Stimme, wenn wieder jemand sagt: Gibts nicht eigentlich wichtigere Themen? Meine persönliche politische Forderung? Ein Familienwahlrecht – für jedes Familienmitglied eine Wähler*innenstimme. Dann klappt’s auch mit der Lobby.

* aka Madame Schärnée * lebt mit Monsieur Schärnée und zwei Töchtern im nördlichen Landkreis München * hoffnungslose gerechtigkeitsliebende Weltverbesserin, bekennende Feministin und Buchliebhaberin * Vizepräsidentin des Vereins Parité in den Parlamenten e.V. * redet ihr Gegenüber gerne in Grund und Boden und führt endlose Diskussionen über Gleichberechtigung und Politik * wirbt für mehr Mütter in der Politik * glaubt (trotzdem) an das Gute im Menschen * liebt orientalisches Essen wie Hummus, Falafel und Co * Mitgründerin des Familienzentrums FamilienHaus Unterföhring e.V * lernt durch ihr ehrenamtliches Engagement und den Blog viel über sich selbst und das Leben * ihre Lieblingshashtags: #dieHälftederMachtdenFrauen und #smashthepatriarchy #MütterindiePolitik

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