Buchtipps,  Gleichstellung

Buchtipp: Die Kümmerfalle

Bücher sind mir eigentlich heilig. Auch wenn ich sonst ein Chaot bin: Bücher werden gefälligst ordentlich behandelt. Keine Eselsohren, keine Kaffeeflecken, kein „Liegen lassen im aufgeschlagenen Zustand“. Bei der Kümmerfalle von Susanne Garsoffky und Britta Sembach habe ich gegen meine Prinzipien verstoßen. Und ich bitte den Gott der Bücher hiermit in aller Demut um Verzeihung. Ich habe das Buch nicht gelesen sondern „durchgearbeitet“. Im ganzen Buch stecken Post-Its. Ich bin sogar soweit gegangen, Textpassagen anzumarkern und Ausrufezeichen an den Buchrand zu kritzeln. Es musste einfach sein: Ich hatte diverse Aha-Momente und bin mir sicher, dass ich die eine oder andere Zahl oder Anmerkung nochmal nachschlagen werde.

Die strukturellen Probleme

Den Inhalt verrät die Subline des Buches. Sie lautet „Kinder, Ehe, Pflege, Rente – Wie die Politik Frauen seit Jahrzehnten verrät“. Die Autorinnen machen verschiedene Fallen aus, in die Frauen regelmäßig tappen: Darunter z.B. die Scheidungsfalle, die Kümmerfalle und die Rollenfalle. „Warum übernehmen wir Frauen Haus- und Sorgearbeit? Weil es diese Arbeit nun einmal gibt. Und weil sie jemand machen muss. Allerdings werden wir dabei gnadenlos alleingelassen. Von unserer Familie, von unseren Arbeitgebern und auch vom Staat„, so Garsoffky und Sembach.

Einen meiner Aha-Effekte hatte ich gleich am Anfang des Buches. „Wir haben als junge Mütter verzweifelt versucht es irgendwie hinzukriegen. Jede neu gegründete Familie nach uns steht seither vor demselben Problem. Und alle denken… sie seien ganz allein dafür verantwortlich, wenn es nicht klappt“, schreiben die Beiden. Ja. Stimmt genau! Ich erinnere mich bestens an mein Interview mit Mareice Kaiser, das schon ein Weilchen zurückliegt. Ich fragte sie damals sehr unbedarft, wie Eltern im allgemeinen und Mütter im speziellen wieder mehr Gleichgewicht herstellen können. Was wir tun können gegen den ganzen irren Stress-Overload. Sie antwortete, sie halte nichts davon gegen strukturelle Probleme private Lösungen zu suchen.

Basierend auf gründlicher Recherche und jeder Menge Beispiele benennen Garsoffky und Sembach diese strukturellen Probleme:

  • Altersarmut ist weiblich. In Deutschland erhalten Frauen durchschnittlich 45% weniger Rente als Männer.
  • Das Steuerrecht unterstützt Alleinverdiener-Ehen. Sorgearbeit und ihre Absicherung sind kein Thema.
  • Wenn Ehen in die Brüche gehen, bestraft das Scheidungsrecht die Fürsorgenden. Die Reform des Unterhaltsrechts von 2008 nennen die beiden „Frauen-Wegwerf-Gesetz“. Der gehende Partner wird weitgehend von Unterhaltspflichten befreit, damit er (und meistens ist es ein „er“) nochmal eine neue Familie gründen kann.
  • Vereinbarkeit ist eine Lüge – der Spagat zwischen Familie und Beruf nicht schaffbar.
  • Der sogenannte „neue Mann“ ist äußerst rar. Männer verbringen durchschnittlich nur halb so viel Zeit mit Fürsorgearbeit wie Frauen.
  • Pflege ist meistens Privatsache. Die Arbeit machen (trommelwirbel) Frauen.
  • Gleichberechtigung ist nach wie vor nicht selbstverständlich

Alarmierende Zahlen

Im Kapitel „Die Gleichmachfalle“ werden Zahlen auf den Tisch gelegt. Und sie haben es in sich. 52,4 % beträgt der „gender care gap“ lt. Bundesregierung. Das heißt: Frauen kümmern sich im Schnitt vier Stunden und 13 Minuten um den Haus und Co, Männer dagegen nur 2 Stunden und 46 Minuten. Bei Familien mit betreuungspflichtigen Kindern tut sich die Schere noch weiter auf. Dabei ist es übrigens egal, ob im Büro oder im Homeoffice gearbeitet wird – infolge der Corona-Krise gibt es Zahlen dazu. Magere 14 % der Männer fühlten sich im Frühjahr 2020 für Haushalt und Betreuung der Kinder mit-verantwortlich. Diese Zahlen machten auch Garsoffky und Sembach fassungslos.

Raus aus der Kümmerfalle

„Raus aus der Kümmerfalle“ heißt das letzte Kapitel. Und darin präsentieren die Beiden einige wirklich gute Ideen. Wir als Frauen und Mütter müssen uns ganz gezielt selbst helfen, Care-Arbeit sicht- und messbar machen und nach der Macht greifen, damit wir nicht weiter von Menschen regiert, die keine Ahnung von Familienleben haben. Außerdem, so die Autorinnen, sei es an der Zeit, das Care-Berufe endlich gerecht entlohnt und das „Frauen-Wegwerf-Gesetz“ abgeschafft werde.

Das Buch „Die Kümmerfalle“ ist uneingeschränkt empfehlenswert. Eine Lektüre, die wütend macht und sehr zum Nachdenken anregt. In meinem Fall führte sie zu unsachgemäßer Buch-Behandlung. Keine leichte Kost, aber ein uneingeschränkter Lesetipp zum Wochenende von mir.


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Mutter von Vieren und brennt als solche für Familienthemen, schreibt gern, liest gern, arbeitet als Online-Redakteurin, ist Multitasking-geübt, mag Sci-Fi, hasst Rosenkohl, aufgewachsen in Nordhessen, beheimatet im schönen Unterföhring in Bayern. Mit Tanja teilt sie die Abneigung gegenüber Ungerechtigkeiten jedweder Art.

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