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Buchtipp: Der Prinz auf der Erbse

Wer auf Social Media einen richtig üblen Shitstorm heraufbeschwören möchte, kritisiert Literatur für Kinder deren Erstveröffentlichung schon einige Jahre zurückliegt. Das funktioniert zum Beispiel todsicher mit Negativ-Kommentaren zum Struwelpeter oder zu Max und Moritz. Wer unter einen Post von der Sorte „Hab ich als Kind geliebt“ schreibt: „War mir als Kind viel zu brutal“, der erntet sofort 10 wütende Smileys und 5 Kommentare unter der Gürtellinie. Ich spreche hier aus Erfahrung. Ich kann mich bei derartigen Social-Media-Diskussionen selten zurückhalten. Was auch zuverlässig Hater auf den Plan ruft, sind kritische Kommentare oder Blogposts rund um Märchen. Märchen sind toll, aber leider auch voller Rollen-Klischees, die die Zeit widerspiegeln, in der sie entstanden sind. Und wehe dem, der das laut ausspricht! Sehr viele Menschen sind der Meinung, Märchen sollte man (aus irgendwelchen folkloristischen Gründen) so belassen, wie sie sind. Ich sehe das anders. Und stelle deshalb heuteDer Prinz auf der Erbse„, erschienen im Kein & Aber Verlag vor.

Der Prinze auf der Erbse: Wer steckt dahinter?

Das Vorwort zu lesen, fand ich ziemlich spannend. Die Idee zum Buch hatte das Ehepaar Karrie Fransman und Jonathan Plackett. Plackett ist Software-Entwickler, Fransman Comicautorin. Plackett hat einen Algorythmus, entwickelt, der in jedem beliebigen Text gegenderte Figuren austauscht – also aus einem „Er“ eine „Sie“ macht und aus einer Frau Schmidt einen Herrn Schmidt. Er wandte den Algorythmus auf die „Langs Fairy Books“ an, die zwischen 1889 und 1913 auf englisch erschienen. Fransman illustrierte die neu entstandenen Geschichten und zeichnete Zwerginnen, die sich um einen Schönling mit schwarzem Haar scharen, eine gestiefelte Katze, die ihrer Herrin eine gute Partie zuschanzt oder eben den Prinzen, der trotz 20 übereinander getürmter Matratzen schlecht schläft.

Wie Stereotype entlarvt werden

Abgesehen vom Geschlechtertausch ist im Buch Der Prinz auf der Erbse alles beim Alten geblieben – und genau das entlarvt die Stereotype in den Original-Märchen. Prinzessinnen sind dank Plackett und Fransman plötzlich mutig und tapfer, böse Stiefväter sorgen sich dagegen um ihre vergehende Schönheit und ein blutjunger Rapunzel lässt seinen Bart herunter, damit die furchtlose Prinzessin zu ihm in den Turm steigen kann. Klingt skurril, funktioniert aber. Schön ist auch, die Wirkung dieser umgekrempelten Märchen auf Kinder zu sehen. Mein 6-jähriger fand die Variante mit dem Jungen Rotkäppchen und der bösen Wölfin kein bisschen merkwürdig.

Ach ja, die Menschenfresserinnen, die in der gestiefelten Katze und in Dornrösel vorkommen, habe ich beim Vorlesen als Bösewichtinnen bezeichnet. Bei Leuten, die Leute fressen macht das Geschlecht auch nichts mehr wett. Wenn ich das so vorlese, wie es im Buch steht, schläft mein Kind anschließend zuverlässig NICHT mehr ein.


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Mutter von Vieren und brennt als solche für Familienthemen, schreibt gern, liest gern, arbeitet als Online-Redakteurin, ist Multitasking-geübt, mag Sci-Fi, hasst Rosenkohl, aufgewachsen in Nordhessen, beheimatet im schönen Unterföhring in Bayern. Mit Tanja teilt sie die Abneigung gegenüber Ungerechtigkeiten jedweder Art.

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