Gleichstellung

Internationaler Frauentag, Equal Care Day, Equal Pay Day: Kein Gedöns sondern notwendig!

Dieser Beitrag liegt seit mehreren Wochen auf meinem „Endlich-mal-erledigen-Stapel“. Aber ich weiß langsam nicht mehr, womit ich zuerst anfangen soll. Die Zeit, um all die wichtigen Dinge in meinem Alltag unter einen Hut zu bekommen, ist viel zu kurz. Passenderweise lese ich (auch schon seit mehreren Wochen) das Buch von Teresa Bücker „Alle_Zeit“ und habe im März auch eine Lesung von ihr besucht. Bücker fordert eine radikale Umgestaltung und ein Umdenken unserer Zeitpolitik. Prominente These daraus: „Wer keine Zeit zum Nachdenken hat, dem fehlt erst Recht die Macht, etwas zu verändern.“ Hier ein paar Gedanken zum Frauenmonat März samt den wichtigen Terminen Internationaler Frauentag, Equal Care Day, Equal Pay Day.

Ein eigener Monat für Frauen?

Ihr kennt das. Dabei ist mir dieser Blog-Beitrag ein Herzensanliegen und als feministisch und politisch aktiver Frau sehr wichtig. Der Frauenkampf-Monat März liegt hinter mir. Und ich habe alles gegeben. Es war wie immer ein Ritt (der Geburtstag meiner beiden Kinder liegt auch genau zwischen diesen Aktionstagen). Von Social Media Aktionen, Lesungen, Filmabenden, Podiumsdiskussionen, Theateraufführungen oder PR-Aktionen – alles war dabei. Frauenrechte sind aber doch Menschenrechte? Warum also ein eigener Monat, in dem sich alles nur um Frauen und Gender Gaps dreht? In einer Gesellschaft, die sich das Thema Gleichberechtigung ins Grundgesetz geschrieben hat? Weil es leider immer noch notwendig ist, auf strukturelle Ungleichbehandlung von Frauen und Männern hinzuweisen. Auch nach über 100 Jahren Frauenwahlrecht, herrscht leider keine echte Gleichberechtigung. Und spricht man das an, so schlüpfen sofort alte, weiße cis-Männer aus ihren Löchern und schreien: Wo bleibt eigentlich das Engagement für Männerrechte? Whataboutism vom Feinsten. Was ich noch schlimmer finde sind andere Frauen, die einen für feministisches Engagement verurteilen (wirklich so erlebt, kein Witz – dazu schreibe ich demnächst einen separaten Beitrag).

Equal Care Day und Gender-Care-Gap

Am 29. Februar war es mal wieder an der Zeit, den alljährlichen Equal-Care-Day zu begehen. Und ja, ihr lest richtig. Am 29. Februar wird er „gefeiert“. Da dieser nur alle vier Jahre stattfindet, fiel der Equal-Care-Day dieses Jahr auf den 1. März. Passend zum Thema, das ja auch vorwiegend unsichtbar zumeist von Frauen umgesetzt wird, wird die ungleiche Verteilung von Carearbeit auch nur alle vier Jahre sichtbar. Und auf diesem Gebiet ist so unsagbar viel zu tun, dass ich eigentlich gar nicht weiß, wo ich da anfangen soll. Klar ist jedoch: so wie jetzt kann es nicht weitergehen. Der Gender Care Gap liegt bei unfassbaren 52,4%! Da brauchen wir uns nicht ernsthaft fragen, warum Frauen in der „Teilzeitfalle“ stecken. Woher sollen sie schließlich die Zeit für eine Vollzeiterwerbstätigkeit nehmen? Genaugenommen arbeiten Frauen ja auch nicht „nur“ in Teilzeit. Sie arbeiten aber unsichtbar, weil sie ihre „Freizeit“ (das ist natürlich keine freie Zeit) mit Sorgearbeit füllen. Und die hat bekanntlich nie Pause (und nein, die Zeit um zu Duschen ist keine Freizeit, alleine aufs Klo gehen auch nicht).

„Aber Dein Mann arbeitet doch Vollzeit, da ist es doch klar, dass Du Dich zu Hause kümmerst!“

Carearbeit, die Frauen schließlich unbezahlt und aus Liebe zu ihren Kindern und ihrem Mann auch von Herzen kostenlos verrichten WOLLEN. So wird es ja doch zumeist dargestellt. Und bitte: Frauen sollen da jetzt nicht anfangen aufzubegehren, war es doch so schön behaglich für den Rest der Gesellschaft. Ihr alle kennt sicher das vermeintliche Totschlagargument: „Aber Dein Mann arbeitet doch Vollzeit, da ist es doch klar, dass Du Dich zu Hause kümmerst!“ (Ja ne, ist klar). Warum das großer Quatsch ist, könnt ihr bei Alexandra Zykunov „Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!“ nachlesen. Aber Triggerwarnung: Bitte Wut-Knautschball oder ähnliches bereit legen. Das Buch ist hervorragend, verursacht aber auf jeder Zeile erhöhten Puls.

💪 Meine Forderung zu Sorgearbeit lautet daher: Neben einer fairen Aufteilung von Carearbeit muss diese endlich anerkannt und vergütet oder in anderer Form (Rentenpunkte etc.) wertgeschätzt werden. Nur so können wir der Altersarmut von Frauen begegnen und echte Geschlechtergerechtigkeit leben.

Und ich höre sie schon alle das Gegenlied anstimmen: Wer soll denn dieses Care-Einkommen bezahlen? Ich möchte hier gerne nochmal Teresa Bücker entgegenhalten und ins Gedächtnis rufen, was passieren würde, wenn wir alle auf einmal unsere Sorgearbeit niederlegen würden? „Ohne die vor und nach der Erwerbsarbeit geleistete Sorgearbeit ist unsere Wirtschaft, genau wie die staatliche Infrastruktur unvorstellbar.“ (Zitat Teresa Bücker aus „Alle_Zeit“).

Equal Pay Day und Gender Pay Gap

Zum Gender Pay Gap ließe sich ein ganz eigener Beitrag verfassen. Das Wichtigste in Kürze: Frauen verdienten in 2022 immer noch 18% weniger pro Stunde als Männer (Quelle: Statistisches Bundesamt). Geschlechtergerechtigkeit herzustellen ist Ziel unserer Verfassung. Dazu gehört auch eine Bezahlung unabhängig vom Geschlecht. Gründe, warum Frauen für gleichwertige Arbeit weniger verdienen sollten als Männer, fallen mir keine ein. Der Equal Pay Day fiel in diesem Jahr auf den 7. März. Er markiert jedes Jahr symbolisch die geschlechtsspezifische Lohnlücke. Die Festsetzung auf das jeweilige Datum im Jahr wird wie folgt berechnet:

Angenommen Frauen und Männer bekommen den gleichen Stundenlohn: Dann steht der Equal Pay Day für den Tag, bis zu dem Frauen umsonst arbeiten, während Männer schon seit dem 1. Januar für ihre Arbeit bezahlt werden. Rechnet man den Wert in Tage um, arbeiten Frauen insgesamt 66 Tage umsonst. (Quelle: Equal Pay Day Germany).

Ein hoher Gender Pay Gap führt zu einem Gender Pension Gap

Verdienen Frauen weniger als Männer führt dies logischerweise dazu, dass Frauen auch weniger Rente als Männer erhalten. Konkret in Zahlen ausgedrückt bedeutet das: In Deutschland bekommen Frauen durchschnittlich 26% weniger Rente als Männer (Quelle: Statistisches Bundesamt). Eine erschreckende Meldung ging dazu auch im März über die News-Ticker: Nach 40 Jahren Vollzeiterwerbsarbeit liegt jede dritte Frauenrente unter 1.000€! Das ist eine katastrophale Zahl. Zumal uns Frauen das aufgrund oben erwähnter Dauerzuständigkeit in Sachen Carearbeit kaum gelingen kann, 40 Jahre in Vollzeit zu arbeiten (vor allem wenn Kinder da sind oder Angehörige gepflegt werden sollen). Dadurch sind Frauen doppelt angeschmiert: sie tragen die Hauptlast in der Sorgearbeit und verdienen gleichzeitig für gleichwertige Arbeit nicht den gleichen Arbeitslohn.

Internationaler Frauentag – warum?

Wichtigstes Datum im Frauenmonat März ist wohl der Internationale Frauentag am 8. März. Er hat seine Ursprung in der Arbeiterinnenbewegung des 19./20. Jahrhunderts. Frauen wurden in dieser Zeit doppelt ausgebeutet: in Bezug auf die Carearbeit und ebenso in der Erwerbsarbeit in der Fabrik. Zentrale Forderung der kämpfenden Frauen an der Schwelle zum 20. Jahrhundert waren: bessere Arbeitsbedingungen, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnkürzung, Festsetzung von Mindestlöhnen, Schwangerschaftsabbruch, Wahlrecht etc. Verrückt finde ich die Analogie zur heutigen Zeit, wobei wir hier nicht mehr von der Fabrikarbeit der Frauen sprechen können. Frauen werden heute auf anderen Erwerbsgebieten ausgebeutet: Pflege, Kitas und in anderen Niedriglohnsektoren. Stichwort Minijob – das ist dann quasi der Alptraum für die Finanzen im Alter. Und wie bereits erwähnt: Frauen kämpfen immer noch für Equal Pay. In Berlin ist der 8. März ein Feiertag. Man könnte schon mal die Frage stellen, warum das eigentlich nicht im gesamten Bundesgebiet der Fall ist?

Parität – geschlechtergerechte Teilhabe in den Parlamenten

Vor kurzem hat die Ampel-Regierung in der Wahlrechtskommission das Wahlrecht reformiert. Dabei ist ihnen mit Sicherheit ein großer Coup gelungen, den mittlerweile auf unüberschaubare Größe angewachsenen Bundestag auf eine feste Anzahl an Abgeordnete zu begrenzen. Was sie dabei vergessen haben? Frauen sind leider komplett unterrepräsentiert. Das Thema Parität – also gleichberechtigte Teilhabe von Frauen UND Männern haben sie unter den Tisch fallen lassen. Obwohl die Gelegenheit dazu dagesessen wäre. Ich engagiere mich im Verein Parité in den Parlamenten e.V., der sich genau dafür einsetzt. Prominentes Ehrenmitglied und Vorkämpferin des Themas Parität ist Rita Süßmuth. In einer großangelegten Kampagne versucht der Verein und seine Mitstreiter*innen (über 80 Bündnispartner*innen), das Thema ParitätJetzt in den Fokus zu rücken. Und verrückt, wie vielen Menschen das mit dieser Unterrepräsentanz gar nicht bewusst ist. Wie oft ich den Satz – „Wenn das mit dieser Parität endlich umgesetzt ist, dann gehts aber hoffentlich wieder um Qualifikation.“ – schon gehört habe kann ich gar nicht mehr zählen. Und ich kann dann nicht aufhören hysterisch zu lachen (vor meinem inneren Auge ziehen die Andi Scheuers dieser Welt an mir vorbei). Sagte doch schon Heidi Kabel den visionären Satz: „Die Emanzipation ist erst dann vollendet, wenn gelegentlich auch eine total unfähige Frau in eine verantwortliche Position aufrücken kann.“

Wäre es in den Parlamenten paritätisch, also 50 zu 50, zwischen den Geschlechtern ausgewogen, so würden sehr viel mehr Frauen als jetzt in den politischen Prozess mit einbezogen sein. Der weibliche Blick würde all die oben angesprochenen dringlichen Handlungsfelder gesellschaftlicher Politik mit ganz anderen Augen betrachten und mit Sicherheit auch ganz andere Lösungsvorschläge auf den Tisch bringen. Patriarchale Strukturen hätten demnach keine Chance mehr und würden sich ganz von alleine erledigen. Letztlich sind die aufgeführten Gender Gaps alle nur Symptome fehlender Parität. Es könnte also alles so einfach sein.

Auch ihr könnt aktiv werden

„Aber ich alleine kann daran doch gar nichts ändern“ – denkt ihr vielleicht. Das stimmt nicht. Jede*r einzelne von uns kann etwas tun. Zum Thema Parität beispielsweise könnt ihr Euch einsetzen, in dem ihr auf die Aktionsseite der Kampagne geht und dort Eure*n Bundestagsabgeordnete*n direkt anschreibt. Unter www.paritaetjetzt.de findet ihr eine vorgefertigte Mail und könnt via Postleitzahlensuche direkt zu der für Eure Person im Bundestag aktiven Person eine Nachricht mit der Forderung nach Parität zukommen lassen.

Lest Bücher von Frauen, die gendersensibel sind und redet darüber mit anderen. Vielleicht könnt ihr Euch vor Ort auch für eins der oben angesprochenen Themen engagieren? Am 5. Mai bin ich beim Digitalen Fachtag des Bundesverbands der Mütterzentren e.V. als Moderatorin eines Workshops zum Thema Carearbeit unterwegs. Vielleicht seid ihr ja interessiert, Euch das anzuhören. Wir wollen darüber diskutieren, welchen Herausforderungen Familien in Bezug auf Carearbeit ausgesetzt sind und was Familien-/Mütetrzentren tun können, um für diesen Struggle Unterstützungsstrukturen zu schaffen. Mareice Kaiser wird einen Vortrag zu ihrem Buch „Das Unwohlsein der modernen Mutter“ halten. Auch in einem Familien-/Mütterzentrum bei Euch vor Ort könnt ihr also aktiv werden und Frauen unterstützen. Schafft Euch Netzwerke – unterstützt andere Frauen. Kurzum: Bildet Banden!

Und ich halte es derweil mit Nicole Schöndorfer: „Patriarchat, verrecke!“

💡Regionaler Veranstaltungstipp: Am 9.5.2023 veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) Unterföhring eine Podiumsdiskussion zum Thema: Familie – Who cares? Hier sollen alle Kernprobleme rund um das Thema faire Verteilung von Sorgearbeit diskutiert werden. Beginn ist um 19 Uhr im Bürgerhaus in Unterföhring.


Hinweis: In diesem Beitrag verwenden wir Affiliate-Links. Wenn Du auf so einen Link klickst und auf der Zielseite einkaufst, bekommen wir von dem betreffenden Online-Shop eine Provision. Für Dich verändert sich der Preis nicht.

* aka Madame Schärnée * lebt mit Monsieur Schärnée und zwei Töchtern im nördlichen Landkreis München * hoffnungslose gerechtigkeitsliebende Weltverbesserin, bekennende Feministin und Buchliebhaberin * Vizepräsidentin des Vereins Parité in den Parlamenten e.V. * redet ihr Gegenüber gerne in Grund und Boden und führt endlose Diskussionen über Gleichberechtigung und Politik * wirbt für mehr Mütter in der Politik * glaubt (trotzdem) an das Gute im Menschen * liebt orientalisches Essen wie Hummus, Falafel und Co * Mitgründerin des Familienzentrums FamilienHaus Unterföhring e.V * lernt durch ihr ehrenamtliches Engagement und den Blog viel über sich selbst und das Leben * ihre Lieblingshashtags: #dieHälftederMachtdenFrauen und #smashthepatriarchy #MütterindiePolitik

Ein Kommentar

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.