Gesundheit

Ein Zwischenruf vom Krankenbett: Was soll der Mist mit der Medikamentenknappheit?

Und zack, nach 2 Wochen ständigem Pflegen unter widrigen Bedingungen hat es mich nun selbst erwischt: Ich habe eine Bronchitis. Mit „widrigen Bedingungen“ meine ich z.B. die täglichen Überlegungen, wer die Krankenpflege übernimmt, ob Arbeiten im Homeoffice möglich ist oder eine Kinder-Krankmeldung eingereicht wird, stundenlanges Warten in der telefonischen Kinderarzt-Warteschleife, Übernachten im Kinderzimmer und das Einlassen von Erkältungsbädern, während man gerade im Meeting ist. 

So richtig verwunderlich ist es nicht, dass ich jetzt auch krank bin. Immerhin: Ibuprofen für Erwachsene bekommt man noch. Ganz im Gegensatz zu Fiebermitteln für Kinder. Durch die letzten Tage hat mich eine Flasche aus der Hausapotheke gerettet. Und nein, ich horte nicht! Ich habe nur – wie alle vorausschauenden Eltern immer ein Fiebermedikament auf Lager. Meistens erwischt es die Kids ja am Wochenende oder nachts. Als die Vorratsflasche beinahe leer war, habe ich vorgestern der örtlichen Apotheke einen Besuch abgestattet. Wundersamer Weise hatten sie noch ein paar wenige Flaschen Fiebersaft vorrätig – übrigens im Gegensatz zu Zäpfchen, die schon seit Wochen nirgends mehr zu bekommen seien, so die Apothekerin. Am gleichen Tag las ich auf nebenan.de den Post eines verzweifelten Vaters aus meiner Nachbarschaft. Hat noch jemand Fieberzäpfchen übrig?, hieß es da sinngemäß. Der Vater benötigte dringend welche für das 1,5 Monate alte Baby. 

Das ist furchtbar! Wie konnte es verdammt nochmal nur soweit kommen, dass Eltern über soziale Netzwerke nach Fieberzäpfchen fahnden, in den Niederlanden oder in Belgien Fiebermittel bestellen, die Verwandtschaft im Ausland zum Einkaufen schicken oder Opas und Omas in anderen Teilen Deutschlands damit beauftragen, die dortigen Apotheken abzuklappern?

Sparmaßnahmen, Bürokratie + Desinteresse an Kinderheilkunde

Wie kann es sein, dass sich nach den überfüllten Kinderkliniken schon wieder die nächste Katastrophe in der Kindermedizin anbahnt? Darauf Antworten zu finden, ist gar nicht so einfach. Aber während ich in den letzten Wochen diverse durchwachte Nächte im Kinderzimmer verbrachte, habe ich so einiges gelesen. Hier eine Auswahl, die diverse Gründe beinhaltet und meiner Meinung nach ganz gut zeigt, dass die Lage kaum ernster sein könnte: 

  • In Hamburg sind die Fiebersenker für Kinder so knapp, dass Apotheker die Mittel nur noch auf Rezept rausgeben. In dem entsprechenden Beitrag im Hamburger Abendblatt sind auch einige Gründe für die Medikamentenknappheit genannt. Sie reichen von gestörten Lieferketten – aus China und Indien kommt ein großer Teil der Wirkstoffe – über Personalmangel an deutschen Produktionsstandorten bis hin zu Rabattverträgen die zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern geschlossen werden. Rabattverträge? WTF! 🤬
  • Aktuell kommen viele Infekte, RSV, aber auch Influenza und andere grippale Infektionen zusammen. Das hänge mit der Pandemie zusammen und damit, dass unser aller Immunsystem nicht mehr gut genug geschult sei. Außerdem habe sich etwa bei den Fiebersäften ein Hersteller aus der Produktion für Deutschland zurückgezogen, sagt Apothekerpräsidentin Gabriele Overwiening in einem Interview mit dem Spiegel. Am verstörendsten fand ich in dem Interview eine Aussage, die in Sachen Bürokratie tief blicken lässt. Theoretisch könnten Apotheker Fiebersäfte auch selbst herstellen, so Overwiening. Allerdings müssten die Kinderärzte das dann von vorne herein auch so auf dem Rezept vermerken. Andernfalls bezahlen die Krankenkassen nicht. Die Kinderärzte auf der anderen Seite befürchten in dem Fall von den Kassen in Regress genommen zu werden, wenn sie nicht einfach das kostengünstigere Fertigprodukt verordnen. Zum zweiten Mal WTF! 🤬
  • Und wenn wir schon beim Thema Bürokratie sind: Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (den ich hier zitiere, weil mich auch die besorgte westfälische Verwandtschaft mit Infos zum Thema versorgt), fordert mehr „Beinfreiheit“. Wenn ein Fiebermedikament in der verordneten Darreichungsform, Wirkstärke oder Packungsgröße nicht vorhanden sei, müsse man in der Apotheke auf eine andere Darreichungsform ausweichen können – und zwar ohne sich zuvor an die komplett überlasteten Arztpraxen wenden zu müssen, so Jan Harbecke, Vorsitzender des genannten Apothekerverbands. 
  • Hier noch ein paar Aussagen aus einem zynischen Meinungsbeitrag namens „German Gleichgültigkeit – erschienen bei der Süddeutschen Zeitung. Kinderheilkunde habe keinen hohen Stellenwert und sei seit Jahren so etwas wie das ungeliebte Stiefkind der Medizin. Ineffizient, nicht lohnenswert, nicht existent auf der politischen Agenda und uninteressant für die Krankenversicherungswirtschaft, sagt Hilmar Klute, Journalist bei der SZ. Er thematisiert in dem Beitrag übrigens auch den Zustand der deutschen Kitas. 
  • Wer keine Lust hat, soviel zu lesen, dem empfehle ich das folgende ZDF-Video. Hier kommen Eltern, ein Kinderarzt und eine Apothekerin aus München zu Wort. Das bittere Fazit einer interviewten Mutter entspricht dem des SZ-Journalisten. Familien und Kinder sind in unserem System ganz einfach unwichtig.

Also ehrlich Leute! Das darf doch alles nicht wahr sein! Wir können doch nicht ausgerechnet im Gesundheitswesen sparen wie die Bekloppten! Es geht hier um unsere Kinder. Um unsere Zukunft. Um den Teil der Gesellschaft, der in den letzten 3 Jahren ständig einstecken musste! Und ich habe in diesem Beitrag bislang nur von Fiebermedikamenten gesprochen. Bei Antibiotika und vielen weiteren Medikamenten ist die Lage genauso ernst! Also ja: Das mit den Fischen aus dem ausgelaufenen Aquadom  in Berlin ist schlimm. Aber der Fokus der medialen Aufmerksamkeit sollte sich ganz schnell wieder auf die kranken Kinder, uns verzweifelte Eltern und auf die überfüllten Kinderkliniken richten. Den Fischen ist nicht mehr zu helfen. Dem maroden Gesundheitssystem vielleicht schon! 

Mutter von Vieren und brennt als solche für Familienthemen, schreibt gern, liest gern, arbeitet als Online-Redakteurin, ist Multitasking-geübt, mag Sci-Fi, hasst Rosenkohl, aufgewachsen in Nordhessen, beheimatet im schönen Unterföhring in Bayern. Mit Tanja teilt sie die Abneigung gegenüber Ungerechtigkeiten jedweder Art.

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