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Verdammt wütend!

Das ist der Titel des Buches, das ich an diesem Wochenende in einem Rutsch gelesen habe und über das ich vorhatte einen Blogbeitrag zu schreiben. Ich dachte an eine Buchkritik. Dann habe ich heute einen Artikel in der Zeit gelesen. Und jetzt weiß ich auch nicht mehr weiter – denn ich bin verdammt wütend.


Verdammt wütend! Genau das ist auch die Protagonistin im Roman von Linn Strømsborg. So sehr, dass sie vor ihrer Familie und Freunden irgendwann total ausrastet, weil sie die über Jahre aufgestaute Wut nicht mehr zurückhalten kann. Als Frau und vor allem Mutter versucht sie ausschließlich sämtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Der Erwartungshaltung ihres Mannes zu entsprechen, eine gute Mutter zu sein – eigene Bedürfnisse hinten anzustellen oder noch besser: keine zu haben. Dieser Druck von allen Seiten führt dazu, dass Britta (so heißt die Protagonistin) dauerhaft wütend ist. Auf ihre Umwelt, ihre Mitmenschen, ihren Arbeitgeber, ihren Mann, ihr Leben und auf sich selbst. In sie konnte ich mich sehr gut reinversetzten – das Thema ist mir durchaus vertraut. Auch wenn meine eigene Situation etwas anders aussieht, so kenne ich mich mit Wut (alleine darauf in dieser Welt eine Frau zu sein) bestens aus.

Auch ich bin wütend!

Verdammt wütend bin leider auch ich oft. Weil wir als Frauen andauernd gegen Ungerechtigkeit ankämpfen und uns dafür ständig rechtfertigen müssen. Egal ob Gender Pay Gap, Gender Pension Gap, Mental Load oder Gender Care Gap – alles auf einmal abzuschaffen geht halt nicht. So höre ich das häufig. Außerdem, was wollt ihr denn noch alles? Meist sind wir ja auch selbst schuld. Verhandeln schlechter beim Gehalt, können unsere Verantwortung nicht abgeben, hätten uns nur mehr anstrengend müssen usw. Ehrlich: Ich kann das nicht mehr hören! Und es macht mich verdammt wütend! Und ich habe sehr oft deswegen schlechte Laune! Männer entgegen mir dazu: Nicht alle Männer sind doch so. Bitte nicht verallgemeinern. Und bitte nicht immer gleich eine Grundsatzdiskussion! Und ja, das stimmt natürlich. Dennoch ist die Anzahl der Männer, die sich hier proaktiv zur Abschaffung dieser Ungleichheiten einsetzt, überschaubar.

Dann lese ich heute einen Artikel in der Wochenzeitung Die ZEIT mit dem Soziologen Aladin El-Mafaalani. Und bin leider schon wieder verdammt wütend! Bitte was soll mir alleine die Überschrift vermitteln? „Der Staat kann nicht die Mütter ersetzen“ – das setzt ja quasi voraus, dass alleine Mütter Care-Verantwortung für ihre Kinder tragen. Was ist mit den Männern? Der Soziologe hat zwar bereits relativiert und offenbar hat Die ZEIT die Überschrift völlig aus dem Zusammenhang gerissen – dennoch bleibt ein schaler Beigeschmack. El-Mafaalani sieht es als „richtig und notwendig“ an, dass Mütter berufstätig sein wollen (na Danke immerhin für das Verständnis). Denn, und jetzt kommts: „Würden Mütter jetzt wieder langfristig zu Hause bleiben, könnte unser Land einpacken. Wer das fordert, dem kann man nur entgegen halten: Das hieße, das uns noch mehr Fachkräfte fehlen und das Rentensystem kollabiert. Wir brauchen eher mehr Müttererwerbstätigkeit.“

Noch mehr Wut

Puh, da kann ich nur sagen: Meine Wut ebbt dadurch nicht gerade ab. Denn es geht ihm ja offenbar nicht darum, sich gegen die strukturelle Ungleichheit im Erwerbsleben von Müttern und Vätern einzusetzen, sondern ausschließlich darum, den Fachkräftemangel abzumildern. Und by the way: 2022 erschien ein sensationelles und wichtiges Buch von Nathalie Klüver mit dem Titel „Deutschland – ein kinderfeindliches Land“. Die Medienresonanz dazu war nicht gerade berauschend. Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, ein vergleichbares Medienecho auf eine Buchveröffentlichung gelesen zu haben, so wie es jetzt hier bei Aladin El-Mafaalani passiert ist. Zusammen mit zwei weiteren Männern hat er nämlich jüngst ebenfalls ein Buch zur selben Thematik veröffentlicht. „Kinder – Minderheiten ohne Schutz“. Offenbar ist ihm und seinen beiden Mitautoren nun die volle Medienaufmerksamkeit zu teil. Klar – drei Männer gegen eine Frau. Was soll man sagen.

Wenn Mütter keine Lobby haben

Mütter haben im übrigen – ebenso wie Kinder – keine Lobby. Das ist freilich nicht neu. Diese Erfahrung machen Julia und ich von Ciao Cacao schon unser ganzes Mütterleben lang. Und haben es am eigenen Leib erfahren wie sich das anfühlt, für unsere Arbeit abgewertet zu werden: das Projekt damals hieß (und heißt bis heute) Familienzentrum FamilienHaus Unterföhring. Schon damals gab es keine Gelder, keine Anerkennung, keine Aufmerksamkeit. Schon vor sechs Jahren wurde dieses Vorhaben belächelt, verspottet und noch schlimmer – wir wurden von manchen dafür sogar angefeindet. Was wir uns dabei denken würden, für etwas, das Mütter seit Jahrzehnten machen ohne zu klagen, auch noch Fördergelder haben wollten, Räumlichkeiten für Beratungsangebote usw. Wo es doch Kitaplätze gäbe und damit müsste es doch gut sein. Das ist nichts anderes als Abwertung von Sorgearbeit, Nichtbeachtung der Bedürfnisse von Müttern und ihren Kindern. Dazu haben wir die ganze Pandemie hindurch uns intensiv in unserer Freizeit um Eltern (vorwiegend Mütter) gekümmert und mit Unterstützungsangeboten versorgt. Kostenfrei versteht sich.

Mütterkompetenz = Sorgearbeit

Um es auf den Punkt zu bringen: Frauen- und Mütterkompetenz ist offenbar immer gleich Carearbeit. Das Buch von Nathalie Klüver gehört damit selbstverständlich zum Genre Erziehungsratgeber (in das es tatsächlich bei Erscheinen gesteckt wurde). Wenn Männer oder gar Väter ein und dasselbe Thema veröffentlichen, wie im aktuellen Fall bei El-Mafaalani, dann bekommt es eine politische Relevanz und große Beachtung. Dann ist es auch auf einmal ein politisches Buch. Das zeigt einmal mehr, welche Relevanz es hätte, würden auch Männer sich endlich in großer Anzahl zusammentun und sich für Gleichberechtigung einsetzen. Ansonsten sehe ich für die zukünftigen Generationen leider keine Besserung.

Das eingangs erwähnte Buch von Linn Strømsborg kann ich übrigens nur wärmstens empfehlen. Es ist erschienen beim DuMont Buchverlag. Ich lege es vor allem Männern ans Herz und hege die leise Hoffnung, dass sie endlich versuchen mögen, die Wut von uns Frauen zu verstehen.

* aka Madame Schärnée * lebt im nördlichen Landkreis München * hoffnungslose gerechtigkeitsliebende Weltverbesserin, bekennende Feministin und Buchliebhaberin * wirbt für mehr Mütter in der Politik * glaubt (trotzdem) an das Gute im Menschen * liebt orientalisches Essen wie Hummus, Falafel und Co * Mitgründerin des Familienzentrums FamilienHaus Unterföhring e.V * lernt durch ihr ehrenamtliches Engagement und den Blog viel über sich selbst und das Leben * ihre Lieblingshashtags: #dieHälftederMachtdenFrauen und #smashthepatriarchy #MütterindiePolitik

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