Familienalltag

Jahresrückblick 2024: Ein Jahr mit vielen Tiefen

Schreibe ich jetzt einen Jahresrückblick oder einen Beitrag über Vereinbarkeit? Das habe ich mich tagelang gefragt, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Bis jetzt. Ich schreibe einen Jahresrückblick darüber, wie es 2024 bei mir so geklappt hat, Kinder, Job und außerordentliche private Herausforderungen ohne Verluste unter einen Hut zu bringen. Spoiler: Gar nicht. 

2024 war ein krasses Jahr in vielerlei Hinsicht. Ich picke mir hier ein besonderes einschneidendes Ereignis heraus. Im Januar kam mein Vater ins Krankenhaus. Was erst nach einem reparablen Bruch aussah, entpuppte sich als Folge einer weit fortgeschrittenen Krebserkrankung. Er konnte plötzlich nicht mehr laufen, hatte nur noch eine begrenzte Lebenserwartung und kam im Februar in ein Hospiz. Ich lernte während der folgenden 6 Monate viel über mich selbst. Darüber, was es bedeutet, der Fels in der Brandung zu sein. 

Wie ich zur Dauer-Pendlerin wurde

Ich überließ die Kinder in schöner Regelmäßigkeit meinem Mann und fuhr in Richtung NRW zu meinem Vater – um ihn zu besuchen und um zu organisieren. So galt es etwa, die Wohnung, in die er nicht zurückkehren konnte, aufzulösen. War ich zu Hause, telefonierte ich mit Ärzten, mit der Krankenkasse, mit der Hospizleitung oder mit meinem Vater und meinen Brüdern. Ich machte keine Pausen. Auch im Büro ereilten mich diverse Anrufe. Ich machte dort öffentlich, was in meinem Leben derzeit los war und stieß, Gott sei Dank, auf viel Verständnis. 

Vor einer Zugfahrt Ende Juni brach der damals 7-Jährige in Tränen aus. „Musst du wirklich schon wieder weg?“, fragte er. Eine ständig abwesende Mutter war neu für ihn. 

Plötzlich im Krisen-Management 

Für mich waren die häufigen Trennungen von meiner Familie ebenfalls ungewohnt. Ich war in diesem Jahr nicht nur die „Julia mit den vielen Kindern“, die als Teilzeit-Redakteurin zwischen Familie und Job hin und her hüpft. Ich war plötzlich auch Krisen-Managerin. 

Wie landet man in dieser Rolle? Indem man sich weder vor der Krise wegduckt, noch zulässt, dass sie einen überrollt. Die Person, die am Ende noch steht, hat den Job. Auch, wenn sie ihn nie wollte.

Die zweite Jahreshälfte 

Im August starb mein Vater. Abgesehen von den letzten Tagen hatte er noch ein paar gute Monate. Er war innerhalb seines Rollstuhls mobil, konnte vieles bis zum Schluss selbstständig, war streitlustig wie eh und je und zu keinem Zeitpunkt allein. 

Meine Familie und ich fuhren noch vor der Beerdigung in den Urlaub nach Italien. Das klingt möglicherweise herzlos, war aber dringend nötig. Ich bin eigentlich jemand, der an Urlaubsorten gern auf Erkundungstouren geht – dieses Mal nicht. Der Akku war leer. Wir hingen nur am Meer und am Pool ab und aßen Pizza aus Kartons auf der Veranda. 

Zwischendurch telefonierte ich von Venetien aus in Sachen Beerdigung und schickte Dokumente von A nach B. Wieder daheim rollte ein wahrer Bürokratieberg heran, der mich und meinen Mann den ganzen Herbst über beschäftigte. Für Trauern blieb kaum Zeit. 

Wenn die Backups fehlen

Mit Vereinbarkeit ist es so eine Sache. Wenn alles läuft, matchen unterschiedliche Lebensbereiche durchaus. Selbst dann, wenn man eine große Familie hat. Passieren jedoch unvorhergesehene Dinge oder regelrechte Einschläge, wie schwere Krankheiten, wird es hart. Für diese Eventualitäten braucht man Backups. Menschen, die entlasten und notfalls übernehmen können. 

Ich war in diesem Jahr einige Male ohne Backup unterwegs. Weil bestehende nicht ausreichten und weil mir nahestehende Menschen nicht oder nur minimal übernehmen konnten. Weil sie eigene Krisen zu bewältigen hatten oder schlicht überfordert waren. 

Sachen gingen unter. Zweimal traf es den Dienstags-Sport des Jüngsten, einmal war es ein Zahnarzt-Termin. Im Dezember, dem Monat der Weihnachtsfeiern, kamen dann diverse Infekte dazwischen. Ich fehlte quasi überall. Das Jahr forderte seinen Tribut. 

Mein Jahres-Resümee 

Was ich aus 2024 mitnehme? Das Wissen darum, dass ich relativ krisenfest bin und dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Außerdem weiß ich jetzt, dass ich nicht alles übernehmen kann. Weil mein Standard-Rucksack allein schon ziemlich viel wiegt. Manchmal muss man Aufgaben abgeben. Auch auf die Gefahr hin, dass die Person, an die man übergibt, den Karren an die Wand fährt. 

Für 2025 habe ich den Vorsatz, meine Ressourcen besser zu schonen. Das wird nicht leicht, denn auch das kommende Jahr wird herausfordernd – wenn auch aus gänzlich anderen Gründen. 

Mutter von Vieren und brennt als solche für Familienthemen, schreibt gern, liest gern, arbeitet als Online-Redakteurin, ist Multitasking-geübt, mag Sci-Fi, hasst Rosenkohl, aufgewachsen in Nordhessen, beheimatet im schönen Unterföhring in Bayern. Mit Tanja teilt sie die Abneigung gegenüber Ungerechtigkeiten jedweder Art.

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