Familienalltag

Corona macht depressiv – oder: Es reicht!

Ich fürchte, das wird kein positiver Wochenrückblick werden. Die emotionale Grundhaltung der letzten Woche zusammengefasst: Wir sind am Rande unserer Belastungsgrenze angekommen. Denn: Was soll ich sagen? Die Kinder sind immer noch zu Hause, der Wäscheberg wächst ins Unermessliche, die Laune ist im Keller, die Familien-Stimmung noch weiter unten und die gute alte Bekannte Migräne ist auch wieder regelmäßig zu Gast im Hause Schärnée. War ich es doch, die seit vergangenem Jahr ständig Durchhalteparolen postuliert hat: #alleswirdgutundso – nun hat mich die Corona-Krise tief ergriffen. Es dauert jetzt einfach zu lang! Corona macht depressiv!

Mir wachsen die Sorgen über den Kopf. Was macht das alles mit meinen Kindern? Wer bügelt das wieder aus? Wie bin ich ihnen dabei ein gutes Vorbild? Denn ich bin zunehmend gereizt und genervt, wenn alle Seiten etwas von mir wollen. Aber habe nicht auch ich das Recht zu schreien: es ist jetzt alles zuviel – es dauert zu lang??

Meine Kinder verändern sich

K1, sonst die Vernunft in Person, hat ebenfalls die Nase voll. Sie will zurück in die Schule! Jetzt. Da kann auch die lustigste Distanzlernen-Aufgabe nix ändern: sie sollte ein bayrisches Gedicht in den Dialekt des Haushaltes übersetzen (leider kann sie diesen selbst nicht sprechen). So musste Papa ran und hat der Klasse offenbar einen schwäbischen Lacher präsentiert. Leider hielt der Spaß nur kurz an – denn es ist einfach was anderes, wenn man die Lachtränen der Mitschüler*innen nicht in echt sehen kann. Auch das Telefonat mit der besten Freundin ersetzt keine sozialen Kontakte und das tägliche „Ich-jag-Euch-mal-kurz-um-den-Block“ verschafft ihr nur kurzfristige Abhilfe.

Bei K2 beobachte ich eine beginnende depressive Verstimmung. Und Panik. „Was ist, wenn ich, bevor ich in die Schule komme, nie wieder in den Kindergarten darf, Mama?“ In der kommenden Woche ist der erste Elternabend für das Schulkind-to-be. Ich kann ihre Angst verstehen. Kinder in diesem Alter brauchen andere Kinder zum Spielen. Zum Rumalbern, zum Quatsch machen, zum unbeschwert sein. Unbeschwert habe ich sie seit fast einem Jahr nicht mehr erlebt. Sie hat zudem eine echte Schlafstörung entwickelt. Ihr Rhythmus ist völlig aus den Fugen. Sie kann nicht mehr Einschlafen. Sie kann nicht mehr alleine schlafen. So liegt jede Nacht nun ein gar nicht mehr so kleines Kleinchen neben mir und schläft nicht selten erst um Mitternacht ein. Sie redet im Schlaf, wälzt sich umher, wacht mit Alpträumen auf. Aber ja, wenn ich versuche etwas Positives zu finden: kreativ ist sie geworden. Höhlenbauen mit Oma mit dem iPad in der Hand – das kann sie. Impfstrategie, Inzidenzwert und Virologe – alles Begriffe, mit denen sie problemlos um sich werfen kann. K2 ist 5.

Die Kinder werden vergessen

Ich frage mich daher zunehmend, was das alles mit den Kindern macht. Gut, wir ziehen das alles sehr streng durch. Erlauben keine Ausnahmen, lassen sie nicht alleine auf den Spielplatz, nehmen sie nicht mit zum Einkaufen, geben die Kinder nicht in die Notbetreuung, versuchen das als Familie zu stemmen. Oma und Opa haben wir seit Ewigkeiten nicht besucht. Meine Nichte wird 2 in diesen Tagen – ich habe sie in ihrem 2. Lebensjahr nicht ein einziges Mal gesehen. Sie kennt mich nur via Facetime.

Wir versuchen alles, so konsequent wie möglich durchzuziehen, in der Hoffnung, so schnell wieder aus der Nummer raus zu kommen – nur: Wir kommen schon viel zu lange nicht mehr aus der Nummer raus und ist das alles richtig? Mittlerweile bin ich mir da nicht mehr so sicher. Denn was macht das mit dem Sozialverhalten unserer Kinder? Warum werden die wichtigsten in unserer Gesellschaft von der Politik vergessen? Warum geht es nur darum, Großkonzerne zu retten oder Fußballspiele stattfinden zu lassen? Und warum in aller Welt sprechen alle schon wieder von ihrem Sommerurlaub?

Wo ist die Politik beim Thema Familie?

Diese Frage stelle ich mir jetzt doch schon eine geraume Zeit. Welche Entscheidung bringt Familien in diesen Zeiten wirklich eine Entlastung? Das Kinderkrankengeld? Ernsthaft? Darüber lächeln Arbeitgeber doch nur milde. Und was bringen überhaupt diese 10 Tage? Das ist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Mal ganz abgesehen davon, dass es am Ende des Tages mit finanziellen Einbußen verbunden ist. Letztlich sind meistens die Frauen die Leidtragenden. Häufig ist das doch für die Arbeitgeber der Männer unverständlich, die Frau hat das doch auch ohne Corona in den meisten Familien schon vorher gewuppt. Homeoffice macht auch Monsieur Schärnée im Keller – ich im Wohnzimmer. Und zu wem kommen die Kinder dann hauptsächlich, wenn sie etwas brauchen? Ratet…

Was wäre Corona ohne die Frauen?

Ich habe das diese Woche in den Sozialen Medien gepostet. Zusammen mit einer These aus dem Buch „Das weibliche Gehirn“ der Neurowissenschaftlerin und Ärztin Lisa Mosconi, die besagt, dass Frauen hinsichtlich ihrer sozialen, finanziellen und physischen Sicherheit sowie in ihrer Gesundheit benachteiligt sind (Stichwort Mental Load). Oh was musste ich mir da anhören. Ich rede scheinbar ein Problem herbei, dass es objektiv nicht gibt wurde mir da (selbstredend von einem Mann) vorgeworfen. Denn schließlich habe ich es selbst gewählt, eine Familie zu gründen und jobtechnisch in die zweite Reihe zu gehen oder in einer schlechter bezahlten Branche zu arbeiten (ah, ja?). Übrigens: Menschen mit niedrigem Bildungsniveau (so ein weiteres der Argumente) hätten keine Zeit sich über derartigem Sinnquatsch Gedanken zu machen. Genau mein Humor!

Nebenbei noch ein bisschen Ehrenamt

Fun Fact am Rande: Das Familienzentrum, das wir gerade so „nebenbei“ noch aufbauen und damit einen immensen Beitrag für unseren kleinen regionalen Kosmos leisten, wird nicht staatlich oder gar kommunal gefördert. Wir verdienen damit kein Geld. Das passiert alles obendrauf – in hunderten Stunden. Ehrenamtlich. Damit Familien und leider immer noch hauptsächlich Frauen Halt bekommen und Unterstützung finden in diesen Zeiten. (Post-Corona wird der Bedarf an solchen Angeboten in ungeahnte Höhen ansteigen – dafür wird aber kein Geld locker gemacht, denn: Kinder sind keine Wähler).

Zum Thema Mental Load möchte ich Euch am Ende noch einen Tipp geben: Laura Fröhlich aka „Heute ist Musik“ hat ein ganz wunderbares Buch darüber geschrieben: Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles. Lest das. Dann überlegen wir nochmal gemeinsam, was zu tun ist. Laura ist zu Gast bei uns. Im März. Sie redet über das Thema „Eltern als Team – gemeinsam raus aus dem Stress.“ Vielleicht reden wir danach nochmal 🙂

Schaut doch mal rüber zum Browser Ballett. Die haben das diese Woche auch schon gut erkannt. Das Video entlockt Euch hoffentlich noch einen kleinen Lacher zum Ende meines Wochenbeitrages.


Chaos in Zahlen:

  • zu Hause zu beschulende Kinder: 1
  • zu Hause zu bespaßende Kindergartenkinder: 1
  • Arbeiten im Homeoffice: problematisch, ich versuche „nebenbei“ einen Job zu finden (nicht als Arbeit klassifizierte Arbeit: ich habe aufgehört, die Stunden zu zählen)
  • Highlights der Woche: eine Stunde mit der Nachbarin in strömendem Regen im Dunklen Spazieren gehen (und rechtzeitig zum Beginn der Ausgangssperre zu Hause sein)
  • Lärmpegel: verstehe die Frage nicht
  • Akkustand Nervenkostüm: WAAAAAS?

* aka Madame Schärnée * lebt mit Monsieur Schärnée und zwei Töchtern im nördlichen Landkreis München * hoffnungslose gerechtigkeitsliebende Weltverbesserin, bekennende Feministin und Buchliebhaberin * Vizepräsidentin des Vereins Parité in den Parlamenten e.V. * redet ihr Gegenüber gerne in Grund und Boden und führt endlose Diskussionen über Gleichberechtigung und Politik * wirbt für mehr Mütter in der Politik * glaubt (trotzdem) an das Gute im Menschen * liebt orientalisches Essen wie Hummus, Falafel und Co * Mitgründerin des Familienzentrums FamilienHaus Unterföhring e.V * lernt durch ihr ehrenamtliches Engagement und den Blog viel über sich selbst und das Leben * ihre Lieblingshashtags: #dieHälftederMachtdenFrauen und #smashthepatriarchy #MütterindiePolitik

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