Familienalltag,  Gleichstellung

Warum ist immer nur Mama gefragt? Ein Experiment, sein Ausgang + Erklärungsversuche

Am vergangenen Wochenende machte ich ein innerfamiliäres Experiment. Ich habe einen Vormittag lang getrackt, wie oft meine Kinder mütterlichen Support brauchen. Eigentlich wollte ich den ganzen Tag über die Mama-Rufe zählen, aber nachdem ich um 12:30 Uhr bei 51 angekommen war, hatte ich keine Lust mehr. 

„Mama, mach das Licht aus!“

Am Wochenende schlafen die Großen etwas länger – das hat die Datenerhebung womöglich leicht verfälscht. Ausschlafen ist für den Jüngsten dagegen undenkbar. Um 6:30 Uhr ging es los. „Mama, weißt Du, wo mein Pokémon-Heft ist?“ Ich wusste es nicht und war darüberhinaus auch viel zu müde, um es zu suchen. Mein Mann schlief neben mir wie ein Stein und das Kind ließ nicht locker. „Maaammaaa, ich brauche JETZT DRINGEND mein Pokémon-Heft!“. Die Nacht endete also um 6:45 Uhr mit der Suche nach einem Sammelalbum. Nachdem sich Kind 3 und 4 ein Zimmer teilen, musste ich dafür im Kinderzimmer das Licht anmachen. „Mama, mach das Licht wieder aus“, rief Kind 3 schlechtgelaunt. 

Und es ging weiter. Bis zum Mittagessen erklang unter anderem „Mama, kannst Du mir eine neue Rolle Klopapier bringen“, „Mama, XY soll aus meinem Zimmer rausgehen!“ und „Kannst Du mir mal die Lego-Kiste runterholen, Mama?“. Als ich 2 Minuten draußen war, um den Müll rauszubringen, ist Kind 4 laut nach mir rufend“ durch die Wohnung gezogen. Das weiß ich, weil der Knirps auch bei geschlossener Wohnungstür gut hörbar war, als ich zurückkam. Ich habe daraufhin auf Verdacht 4x das Zählgerät geklickt. 

Das Zählgerät fand ich kürzlich beim Aufräumen. Ich weiß nicht mehr, was sein ursprünglicher Einsatzzweck war. Aber dieser Zufallsfund und ein re-tweeteter Post brachte mich überhaupt erst auf die Idee, mal zu tracken, wie oft meine Kinder so am Tag nach mir rufen. 

Über den Post musste ich erst grinsen, aber je länger ich darüber nachdachte, desto weniger lustig fand ich ihn. Was sagt das aus, wenn Kinder ihre Mutter als einzig mögliche Anlaufstelle für Fragen jeglicher Art betrachten? 

In dem Zusammenhang fiel mir Franziska Schutzbach wieder ein, die in ihrem Buch „Die Erschöpfung der Frau“ das Wort „Allzuständigkeit“ verwendet, um diesen Zustand zu beschreiben. Woher kommt diese Allzuständigkeit von uns Müttern? 

Hier ein paar Erklärungsversuche: 

  1. Wir Frauen wissen alles (besser). Zum Beispiel, wo daheim der Fleckenentferner lagert, welches Gemüse der 6-jährige nur zerkleinert akzeptiert und an welchem Wochentag welche Lehrkraft in der Schule Sprechstunde hat. 
  2. Wir Frauen denken, wir wüssten alles besser. Weil wir unseren Partnern zu wenig zutrauen und alten Rollenbildern anhängen, ohne es zu merken. Vielleicht hat der Partner eine großartige, neue Idee, dem Kind Salat und Co. schmackhaft zu machen. Wir müssen ihm dafür aber die Chance lassen, es zu versuchen und seine Mitarbeit ggf. auch aktiv einfordern. 
  3. Die Rahmenbedingungen stimmen hinten und vorne nicht. Hier komme ich wieder zurück zu mir und zu meinem Alltagsexperiment. Ich werde von meinen Kindern samstags morgens 51 x um Hilfe ersucht, weil ich an 5 von 7 Wochentagen ihre Hauptansprechpartnerin bin und sie meinen Support ganz einfach gewohnt sind. Ich arbeite (klassisch) in Teilzeit, mein Mann in Vollzeit. Das ist kein Modell, das wir uns aktiv so ausgesucht haben. Mein Mann verdient (trotz gleicher Qualifikation) besser als ich. Und das schon seit der Geburt der Kinder. Im Alter wird sich diese langjährige Teilzeittätigkeit rächen. 

„Schatz, was hältst Du davon, wenn Du nach 4 Monaten wieder arbeiten gehst und ich den Rest der Elternzeit nehme?“ 

Wenn man 4 Kinder hat, kennt man zwangsläufig ziemlich viele andere Elternpaare. Mir fällt trotzdem nur ein einziges Paar in unserem Freundes- und Bekanntenkreis ein, das die Elternzeiten ihrer Kinder so aufteilen konnte, dass die Kleinen tatsächlich früher „Papa“ als „Mama“ sagen konnten. Weil der Papa jeweils direkt nach dem Mutterschutz in Elternzeit ging. Das ist unfair. Und es ist falsch. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ein Haufen Väter gerne mehr Zeit mit ihrem Nachwuchs verbringen und „aktive Vaterschaft leben“ würde – wenn die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen es nur zuließen. Die Feministin Teresa Bücker wünscht sich diesbezüglich von Männern mehr Kampfgeist

Ich für meinen Teil denke, dass wir uns alle ein Stück weit bewegen müssen, um in Alltagssituationen mehr Gleichberechtigung hinzubekommen. Ich versuche, am nächsten Wochenende weniger verfügbar zu sein. Habe mir Ohropax gekauft.

Mutter von Vieren und brennt als solche für Familienthemen, schreibt gern, liest gern, arbeitet als Online-Redakteurin, ist Multitasking-geübt, mag Sci-Fi, hasst Rosenkohl, aufgewachsen in Nordhessen, beheimatet im schönen Unterföhring in Bayern. Mit Tanja teilt sie die Abneigung gegenüber Ungerechtigkeiten jedweder Art.

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