Familie gründen ja oder nein?
Ich habe mal wieder eine Buchrezension im Gepäck: „Das Buch, das du gelesen haben solltest, bevor du Mutter wirst“ von Johanna Fröhlich Zapata. Ich bin seit 16 Jahren Mutter und habe das Buch zumindest aus der Perspektive der Entscheidungsfindung zu spät gelesen.
Der Autorin geht es um Gleichberechtigung im Alltag, um die Vereinbarkeit von Job und Familie und um den sogenannten Alltagsfeminismus. Fröhlich Zapata arbeitet als feministische Coachin. Sie lässt Erfahrungen aus ihrer Praxis mit einfließen.
11 Kapitel widmen sich dem Leben als Familie. Vom Zusammenziehen und Kinderkriegen über Themen wie „Zurück in den Job“ und „Weihnachten entstressen“ bis zum Auszug der Kinder. Jedes Kapitel ist ähnlich strukturiert. Fröhlich Zapata beginnt mit einer Utopie (Wie es sein könnte), skizziert dann die Wirklichkeit und ergänzt das Thema dann um Praxiserfahrungen.
Überzuckerte Utopien
Die Utopien zu lesen hat sich angefühlt, als äße ich Frankfurter Kranz. Buttrig, schmierig und völlig überzuckert. Das soll so sein, schreibt die Autorin. Und tatsächlich wird dadurch die Diskrepanz zur rauen Realität besonders deutlich.
Am Beispiel des Kapitels „Weihnachten entstressen“ erklärt: Die Utopie sieht vor, dass der Partner auf „hyggelige Weihnachten“ steht und gerne backt und dekoriert. Genauso wie seinerzeit schon der eigene Vater. Die Wirklichkeit beschreibt Weihnachten als das Fest der unsichtbaren Arbeit und der Ungleichheit und in der Praxiserfahrung geht es um die Mittfünfzigerin Celia, die sich hingebungsvoll um ihre Enkel kümmert und in der Weihnachtszeit so richtig ran klotzt, ohne aber je dafür wertgeschätzt zu werden.
Zusätzlich sind im Buch viele weiterführende Buchtipps, Facts und Impulse zum Thema Feminismus aufgeführt.
Familie gründen ja oder nein? Taugt das Buch zur Entscheidungsfindung?
Während des Lesens war ich skeptisch: Ich habe mich gefragt, wie junge Frauen heute an die Familienplanung rangehen. Lesen sie wirklich Bücher wie dieses, um restlos aufgeklärt und ohne falsche Illusionen eine Familie zu gründen oder eben nicht?
Nachdem ich das Buch durch habe, denke ich, sie sollten es unbedingt lesen. Um aufgeklärter zu sein, um ihren Partner mit ins feministische Boot holen zu können und vor allem wegen der wirklich wichtigen Hauptbotschaft des Buches: Bindungsexpertin Susanne Mierau fasst sie im Nachwort sehr schön zusammen. „Familie ist politisch, Veränderung beginnt auch im Kleinen, in den Familien.“
Damit widerspricht Johanna Fröhlich Zapata einer anderen feministischen Autorin, die ich 2021 auf dem Blog interviewt habe. Mareice Kaiser, Autorin des Buches „Das Unwohlsein der modernen Mutter“ sagte damals, sie halte nichts davon, für strukturelle Probleme nach privaten Lösungen zu suchen. Ich weiß noch, wie es mir mit dieser Antwort ging: Ich war ziemlich enttäuscht, denn ich hatte mir Ideen für den Alltag erhofft. Und genau an diesem Punkt setzt „Das Buch, das du gelesen haben solltest, bevor du Mutter wirst“ an. Es bietet einen Gegenentwurf, indem es viele kleine Denkanstöße und Ratschläge serviert. Deshalb kann ich es uneingeschränkt empfehlen.