Familienalltag,  Gleichstellung

Drittes Kind? Kein Zuckerschlecken

Vor kurzem stieß ich bei auf den Instagram-Beitrag einer frisch gebackenen Dreifachmutter zum Thema „Drittes Kind -Ja oder nein?“ Willkommen in der Welt der Großfamilien hieß es zu Beginn des Beitrags. Grundtenor der Momfluencerin: Drei Kinder zu haben, ist super! Und mit der richtigen Orga läuft es auch super. 

Das ist mir zu viel Zuckerguss. Viel zu viel sogar. Zunächst mal: Gehört man mit drei Kindern überhaupt schon zum illustren Kreis der Großfamilien? Drei Kinder haben in Deutschland immerhin noch 1.209.000 Familien (Stand 2023). Mit 3 Kindern geht man meiner Erfahrung nach noch ganz gut als Normalo durch. Drei Kinder passen auf die Rückbank eines 5-Sitzers und bei der Deutschen Bahn lassen sich bis zu drei Kinder kostenfrei im Nahverkehr mitnehmen. 

Exkurs zum Thema Kinderreichtum

Mit vier oder mehr Kindern ist man dagegen schon ein Freak. „Sind das alles eure?“ Ein Satz, den mein Mann und ich wirklich schon gehört haben. Bei einem früheren Arbeitgeber war ich infolge meines inflationären Vornamens und zum besseren Auseinanderhalten „die Julia mit den vielen Kindern“. 

Mit meinen 4en falle ich auf. Schaut man dagegen bei Social Media vorbei, stellt man schnell fest, dass man mit vier Kindern gerade so das Aufnahmekriterium für Großfamilien-Gruppen erfüllt. Hier gibt es jede Menge Mütter und wenige Väter, die vier und mehr Kinder haben und sich austauschen. Erst heute wieder gelesen: „Wie macht ihr das mit dem Socken-trennen?“. 

Abgesehen davon geht es auch um ernstere Themen. Umzug mit vielen Kindern? Unglaublich schwierig. Urlaub mit vielen Kindern? Unglaublich teuer. Plötzlich alleinerziehend mit vielen Kindern? Ein riesiger Kraftakt. 

Self-Care? Fehlanzeige! 

Als freakige Mehrkindmutter fällt mir immer wieder auf, wie wenig Zeit ich für mich selbst habe. Heute z.B. habe ich es endlich geschafft, mir die Fußnägel fertig zu lackieren. Fuß 1 habe ich gestern Abend lackiert – dann tönte Geschrei aus dem Kinderzimmer und nach geschlichtetem Streit war ich zu müde, um mit der Pediküre weiterzumachen. Weswegen Fuß 2 erst heute Morgen dran kam.. 

Nichtsdestotrotz habe ich es geschafft. Das ist keine Selbstverständlichkeit als Mehrkind-Elternteil. Kürzlich sah ich abends im TV einen Bericht über eine Mutter, die nach 2 Kindern nochmal Drillinge bekam. Sie sagte, sie genieße ihr neues, trubeliges Großfamilien-Leben, aber sie hatte dabei tiefe Augenringe, ungekämmte Haare und abgebissene Fingernägel. 

Drillinge würden uns sehr sicher das Genick brechen. Drei Hasen reichen völlig aus als Familienzugabe. 

Ein drittes Kind sollte gut überlegt sein

Aus meiner insgesamt 12-jährigen Erfahrung als Drei- und Vierfachmutter kann ich zum Thema  „Drittes Kind -ja oder nein“ Folgendes sagen: 

  • Ab dem dritten sind die Kinder in der Überzahl. Deswegen sollten sich Eltern sehr ehrlich fragen: Schaffen wir das? Gibt es Großeltern, Tanten, Onkel oder Freunde, die unterstützen können? Ist das Dorf, das man zum Aufziehen von Kindern tatsächlich braucht, vorhanden? Falls nicht, bedeutet das, die nächsten Jahre werden hart! 
  • Viele Kinder kosten viel Geld. Erst backe ich riesige Mengen und dann fallen meine Kinder heuschreckenartig über das Muffinblech her. Und wehe, man wohnt im Ballungsgebiet und muss umziehen, weil die Wohnung zu eng wird.
  • Hallo, Teilzeit-Falle: Selbst wenn die Care-Arbeit gleichmäßig auf 4 Schultern verteilt wird: Mit mehreren Kindern Vollzeit zu arbeiten ist kaum umsetzbar. Weswegen eine:r (hier lohnt das Gendern kaum) die Arbeitszeit reduzieren muss. 

Ich will eigentlich nur sagen: Wer sich nach einem dritten Kind sehnt, findet die Antwort darauf, ob das eine gute Idee ist, nicht bei gestylten Momfluencerinnen, die sich im Partnerlook mit ihrem Baby ablichten lassen. Lieber die rosarote Brille absetzen, den Partner einbeziehen und eine Pro- und Kontra-Liste samt Finanz-Check machen. 

Mutter von Vieren und brennt als solche für Familienthemen, schreibt gern, liest gern, arbeitet als Online-Redakteurin, ist Multitasking-geübt, mag Sci-Fi, hasst Rosenkohl, aufgewachsen in Nordhessen, beheimatet im schönen Unterföhring in Bayern. Mit Tanja teilt sie die Abneigung gegenüber Ungerechtigkeiten jedweder Art.

Ein Kommentar

  • Maria Çöl-Rothmund

    Vielen Dank für den kurzen und dennoch griffigen Kommentar zur Welt der „Schönen und Reichen“, die kein Maßstab für unser Handeln sein dürfen, geschweige denn Motivation.

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