Familienalltag,  Gleichstellung

Wer ist für was verantwortlich? Aufgaben gerecht verteilen in der Partnerschaft

Bei uns um die Ecke – soll heißen in der Nachbarkommune – lebt und arbeitet Beziehungcoach Carolyn Litzbarski. Sie berät unter anderem rund um Themen, mit denen auch wir häufig Berührungen haben und zu denen wir auch schon einiges gebloggt haben. Mental Load, Familienstress und Multitasking; Wie schafft man es, hier nicht durchzudrehen. Carolyn sieht den Schlüssel dafür in einer ausgewogenen Verteilung. Wir haben sie deshalb zur „richtigen Aufgabenaufteilung in der Partnerschaft“ interviewt. Das Thema ist nicht ohne, denn dahinter verbirgt sich sowohl Streit- als auch Frustrationspotenzial.

Ciao Cacao: Liebe Carolyn, Ausgewogenheit beim Erledigen von Sorgearbeit: Wie wichtig ist das?

Carolyn Litzbarski: Interessanterweise haben Forschende festgestellt, dass Langzeitpaare als Merkmal u.a. eine gleichberechtigte Rollenverteilung neben anderen Faktoren wie z.B. Kommunikationsfähigkeiten vorweisen. Ausgewogenheit in der Verteilung stabilisiert also die Beziehung. Sorgearbeit geht oft einher mit vielen dazugehörigen Haushaltstätigkeiten. Haushalt und Alltagsführung sind einer der Top-Streit-Gründe für Paare. 

Ciao Cacao: Ausgewogenheit in der Sorge- und Alltagsarbeit ist also beziehungsförderlich?

Carolyn Litzbarski: Ja, ganz genau. Dabei geht es nicht darum, ob der Kaffeelöffel in der Spülmaschine richtig rum drin liegt oder nicht richtig ausgespülte Milchfläschchen – es ist vielmehr die Summe an Enttäuschungen und Frustrationen, die dazu führen, dass sich eine oder beide Personen nicht gesehen fühlen. Das ist dann wie ein Nebel, der die sonst positive Beziehung umgibt und immer dichter wird. 


Credits: Anna Goor

Steckbrief: Carolyn Litzbarski ist Sozialpädagogin, lebt im Landkreis München und hilft als Beziehungscoach Einzelpersonen und Paaren dabei, wichtige Übergänge zu meistern, z.B. die erste gemeinsame Wohnung oder der Übergang vom Paar zur Familie. In ihrem Buch „Beziehung kann ich doch“ zeigt sie auf, wie Menschen typische Beziehungsstolperstellen meistern können. Mehr zu ihr auf ihrer Homepage.


Ciao Cacao: Vom Eltern-Taxi-Einsatz über den Großputz bis hin zum abendlichen Sichten der Mails aus der Kita: In der Familie fällt viel an. Was sagst Du als Expertin? Wie lässt sich das „fairteilen“? 

Carolyn Litzbarski: Um die Sorgearbeit fair aufzuteilen, ist es wichtig, zunächst ein Bewusstsein für alle Aufgaben zu schaffen, die anfallen. Da kommt spätestens wenn man Kinder hat, einiges zusammen. 

Oftmals sind es die Frauen, die neben dem Großteil der Sorgearbeit auch den „Mental Load“ tragen, also alle Last, die quasi unter der Oberfläche liegt. 

Ciao Cacao: Was schlummert unter der Oberfläche? Kannst Du dafür ein Beispiel nennen?

Carolyn Litzbarski: Eltern-Taxi spielen ist eine Aufgabe. Dazu kommen aber „Neben-Aufgaben“ wie das Planen und Organisieren von Terminen, Fahrtzeiten einkalkulieren, Urlaubszeiten im Kopf behalten, dem Kind die richtigen Dinge mitgeben etc. Diese 1000 unsichtbaren To Dos machen mental müde, gereizt und lassen uns oft nicht schlafen. Das Schlimme: der Partner oder die Partnerin ist sich dieses Kopf-Chaoses oft gar nicht bewusst. Er oder sie denkt, den Fahrdienst zu übernehmen stellt schon eine Entlastung dar. 

Ciao-Cacao: Was hilft dagegen?

Carolyn Litzbarski: Im ersten Schritt gilt es Aufgaben sichtbar zu machen, z.B. als Liste oder mit Karteikarten etc.. Schritt 2: Verantwortungsbereiche definieren und Aufgaben verteilen. Jedes Familienmitglied kann Aufgaben und Verantwortungen übernehmen. Dabei kann man entscheiden: was kann jemand besonders gut? Zum Beispiel Fahrräder warten. Was macht jemand vielleicht gerne?  Schritt 3 bedeutet schließlich Regeln festzulegen. Staubsaugen kann ein Verantwortungsbereich sein. Doch wenn es wichtig ist, 2 x die Woche zu saugen, dann sollte das die Regel sein. Die Person mit dem Verantwortungsbereich kann dann aber entscheiden, an welchen Tagen das passiert. Da darf man auch ein paar Mal die Zähne zusammenbeißen und den Rhythmus des anderen laufen lassen.

Fairteilung muss und kann nicht immer 50:50 sein. Wichtig ist, dass jede/r die Möglichkeit hat, die eigenen Bedürfnisse gut ausleben zu können. Wer zum ersten Mal Dinge abgibt, darf auch mit kleinen Sachen anfangen und sich immer mehr im Loslassen und Abgeben üben. 

TIPP: Der Mental-Load Test gibt eine erste gute Übersicht über klassische Familienaufgaben. Schon beim Ankreuzen wird deutlich: Das ist ganz schön viel! Und dann heißt es: Wer hat das Gros der Aufgaben? Wer denkt primär daran? Muss das (so) gemacht werden? Was kann ich abgeben? 

Ciao Cacao: Mal angenommen, einer der Partner ist 40 Stunden erwerbstätig, der/die andere 25. Wie lässt sich hier Ausgewogenheit herstellen beim Verteilen von Aufgaben rund um Haushalt,  Kinder und Familienorga?

Carolyn Litzbarski: Auch hier hilft die gerade erwähnte Liste an Aufgaben, die anfallen. Dann fällt auf: Sorgearbeit, Haushalt und Familienorga sind nochmal so viel wie mindestens (!) ein 40 Stunden Job – das kann nicht bei einer Person bleiben. 

Wichtig ist, darüber zu sprechen. Es schleicht sich oft ein, dass die weniger erwerbstätige Person automatisch mehr schultert. Partner Nr. 2 beginnt, sich darauf zu verlassen. Daraus entsteht ein Kreislauf und irgendwann wird aus „mehr“ „alles“. Das ist dann faktisch ein Ungleichgewicht und schadet auf lange Sicht der Beziehung.

Ciao Cacao: Ein erster Schritt aus diesem ungünstigen Kreislauf heraus ist also, darüber zu reden?

Carolyn Litzbarski: Ja. Unbedingt! In vielen Beziehungen schleichen sich „stumme Erwartungen“ ein. Eigentlich könnte er/sie doch auch mal daran denken, Windeln mitzubringen. Eigentlich könnte er/sie doch auch mal das Kochen übernehmen, wenn mein Tag aus Arbeit, zur Kita hetzen und dann Haushalt, Schlafritual etc. besteht. Deshalb ist es ganz wichtig, ganz konkret die Erwartung auszusprechen.

Ciao Cacao: Wie konkret?

Carolyn Litzbarski: Nicht: „Ich komm morgen spät nach Hause. Es wird knapp mit dem Kochen.“ sondern lieber „Ich komme morgen spät nach Hause. Kannst du dir überlegen, was wir essen und dass dann so kochen, dass es um 19 Uhr fertig ist?“

Ciao Cacao: Und wenn totale Schieflage herrscht und einer der Partner hat das Gefühl zuviel zu schultern: Wie sollte man oder Frau das dem Partner gegenüber ansprechen? 

Carolyn Litzbarski: Das gefühlte Ungleichgewicht ist ein Thema in vielen Beziehungen. Oftmals schleicht sich das über Jahre ein. In Familien etabliert es sich oft, dass eine Person alles auf dem Schirm hat. Es ist dann nur natürlich, dass sich die restliche Familie und der Partner oder die Partnerin darauf stützt. „Wo sind denn die Winterjacken?“ „Wann ist der nächste Zahnarzttermin?“. Das meint niemand böse – das entsteht einfach. 

Wer sich fühlt, als ob er oder sie zu viel schultert, sollte das auf jeden Fall ernstnehmen. Im Gespräch ist es dabei hilfreich, bei sich zu bleiben und dem anderen zu schildern, wie man den Alltag und die Verteilung erlebt.

Ciao Cacao: Wie führt man so ein Gespräch, ohne dass daraus ein Streit entsteht?

Carolyn Litzbarski: Bitte dabei folgende Wörter vermeiden: „Immer (mache ich alles)“ „Nie (hilfst du mir“). Stattdessen konkret beschreiben: „In der letzten Woche habe ich jeden Wochentag gekocht und danach die Küche aufgeräumt“, „Ich erlebe es so, dass du nach dem Abendessen direkt auf die Couch gehst.“. 

Nächstes wichtiges Element: Konkrete Wünsche aussprechen. „Ich wünsche mir, dass wir das Thema Essen neu verteilen, damit ich eine Entlastung habe. Wir könnten zum Beispiel (xyz). Was hältst du davon?“ Je konkreter der Wunsch, desto eher gelingt eine liebevolle Verhandlung darüber. 

Ciao Cacao: Wie lassen sich Kinder mit einbeziehen in das Erledigen von Aufgaben/ Verantwortlichkeiten? 

Carolyn Litzbarski: Kinder wollen auch helfen. Wenn sie aktiv einbezogen werden lernen sie Selbstständigkeit und stärken ihr Selbstbewusstsein.  Je nach Alter können die Aufgaben variieren: Von Socken sortieren, mit einem feuchten Tuch Flächen wischen oder den Besteckkorb ausräumen. Am Anfang benötigt das  Begleitung und auch wieder Akzeptanz, dass die Dinge zunächst anders laufen als gewohnt. 

Der Übergang zur Aufgabenverteilung an größere Kindern wird aber viel einfacher, wenn Familien damit früh anfangen. Ganz toll sind Visualisierung, z.B. in Form von Wochenplänen/Boards, an denen dann die festen Routinen optisch ansprechend dargestellt werden.


Mutter von Vieren und brennt als solche für Familienthemen, schreibt gern, liest gern, arbeitet als Online-Redakteurin, ist Multitasking-geübt, mag Sci-Fi, hasst Rosenkohl, aufgewachsen in Nordhessen, beheimatet im schönen Unterföhring in Bayern. Mit Tanja teilt sie die Abneigung gegenüber Ungerechtigkeiten jedweder Art.

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